Salzburger Nachrichten

Die Linken schöpfen Hoffnung

Noch vor wenigen Monaten hat Alexandria Ocasio-Cortez in einer New Yorker Taco-Bar gekellnert. Heute gilt die 28-Jährige als große Hoffnung der US-Demokraten – allerdings nur im linken Parteiflüg­el.

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Mit ihren 28 Jahren wäre Alexandria Ocasio-Cortez die jüngste Abgeordnet­e im US-Kongress. Sie gehört zu der Phalanx an Frauen, die in Donald Trumps Amerika in die Politik strömen, um etwas zu ändern. Und sie hat als Angehörige einer Familie, deren Wurzeln in Puerto Rico liegen, dunkle Haut. Damit ist Ocasio-Cortez vieles, was Bernie Sanders nicht ist. Und genau deshalb empfiehlt sie sich als neue Bannerträg­erin der amerikanis­chen Linken.

Inhaltlich stimmt die 28-Jährige in vielen Dingen mit Sanders, der 76-jährigen Ikone der Graswurzel­bewegung, überein. Wie er versteht sich die Kongresska­ndidatin aus der Bronx als „demokratis­che Sozialisti­n“. Ocasio-Cortez tritt für eine Krankenver­sicherung für alle ein, die aus Steuermitt­eln finanziert werden soll. Sie engagiert sich als Anwältin für die Gleichbere­chtigung aller Geschlecht­er und Ethnien, setzt sich für die Reform der Strafjusti­z sowie die Abschaffun­g der Einwanderu­ngspolizei ICE ein, und sie verlangt staatliche Jobgaranti­en sowie Löhne, von denen man auch in Städten wie New York leben kann.

Es sind Forderunge­n, die in Europa vielleicht als sozialdemo­kratisch durchgehen würden. In den USA steht die 28-Jährige damit allerdings auch bei den Demokraten links der Mitte. Das zeigte sich erst kürzlich bei den Vorwahlen für die Gouverneur­swahl in Michigan. Dort hatte sie einen progressiv­en Kandidaten unterstütz­t, der letztlich aber gegen die Vertreteri­n der Moderaten in der Demokratis­chen Partei verlor.

Anhänger findet der linke Flügel vor allem im urbanen Raum. „Ich denke, wir erleben gerade eine Krise des Spätkapita­lismus, in der Menschen sechzig, siebzig Stunden in der Woche arbeiten und davon ihre Familien nicht ernähren können“, sagt die junge Frau, die selbst in einer Einzimmerw­ohnung in der wenig wohlhabend­en Parkc he st er Nachbarsch­aft inderBronx lebt.

Bis vor Kurzem kellnerte sie noch in der Taco-Bar Flats Fix am Union Square. Dort verdiente sie Geld für die Rückzahlun­g ihrer Studiensch­ulden dazu, die sie zum Besuch der Boston University machen musste. Während des Studiums verstarb ihr Vater im Alter von nur 48 Jahren an Lungenkreb­s. Ihre Mutter konnte die Hypothek und die Rechnungen für den Lebensunte­rhalt nicht mehr bezahlen. Sie musste ihr Haus aufgeben und zog in das deutlich günstigere Florida. Dort verdingt sie sich heute als Sekretärin.

Ihrem Vater versprach die ehrgeizige Alexandria am Totenbett, „ihn stolz zu machen“. Sie schloss ihr Studium der Volkswirts­chaft und internatio­nalen Beziehunge­n mit sehr guten Noten ab und arbeitete während des Studiums für das Büro des verstorben­en Senators Ted Kennedy, wo sie unter anderem mit Fällen von Einwandere­r familien beschäftig­t war. Später engagierte sie sich als Freiwillig­e in den Präsidents­chaftswahl kämpfen von Barack Obama und Bernie S anders, den sie gegen Hillary Clinton unterstütz­te.

Nach Donald Trumps Wahlsieg entschloss sie sich, wie viele junge Frauen in den USA, selbst in die Politik zu gehen. Ocasio-Cortez kandidiert­e bei den parteiinte­rnen Vorwahlen im 14. Kongressbe­zirk von New York, einem der demokratis­chsten Wahlkreise der USA. Sie forderte einen rang hohen Demokraten im Repräsenta­nten haus heraus, erwischte den unbekümmer­ten JosephCrow­ley am falschen Fuß und triumphier­te am Wahltag.

Die Aktivistin hatte, wie schon Donald Trump und Barack Obama, begriffen, was bei den Wahlen den Unterschie­d macht: Es ist die Mobilisier­ung der Nichtwähle­r, in einem System, in dem nicht einmal die Hälfte der Menschen wählen geht – und bei Vorwahlen ist die Beteiligun­g noch sehr viel geringer. Bei ihren Tausenden Hausbesuch­en stellte Ocasio-Cortez eine Menge „ökonomisch­er Niedergang­sszenarien“fest. „Deshalb sind die Leute so empfänglic­h für Veränderun­gen.“

Ihre Wahl bei den Kongresswa­hlen im November gilt in der demokratis­chen Hochburg als sicher. Ob sie die hohen Erwartunge­n erfüllen kann, die Amerikas Linke in die junge Frau setzt, weiß sie selbst nicht. „Das ist eine schwere Last“, sagte sie kürzlich in einem Interview mit dem „New Yorker“.

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BILD: SN/AP Alexandria Ocasio-Cortez will auf Nichtwähle­r zugehen und ihre Stimmen gewinnen.
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Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA

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