Salzburger Nachrichten

Eine Italieneri­n knetet sich den Pascha zurecht

Cecilia Bartoli vermittelt reichlich gute Laune. Der Erfolg der Wiederaufn­ahme von Rossinis „L’italiana in Algeri“hat viele Gründe.

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Dieser Mann hat ein Frauenbild, das nicht nur Feministin­nen in Schweiß ausbrechen lässt: Mustafa Bey hält sich daheim zwar Gattin und Harem. Doch den Unersättli­chen gelüstet nach mehr. Eine Italieneri­n muss her. Doch der Pascha hat die Rechnung ohne die Wirtin gemacht. Das Objekt seiner Begierde hat’s faustdick hinter den Ohren. „Sono le mogli fra noi quelle che formano i mariti“, singt diese Isabella: „Bei uns sind es die Frauen, die sich die Gatten zurechtkne­ten.“Das sitzt.

Für die Wiederaufn­ahme der Pfingstope­r „L’italiana in Algeri“– Premiere war am Mittwoch – können die Salzburger Festspiele nicht nur Cecilia Bartoli in einer Paraderoll­e aufbieten, mit dem Neuzugang Ildar Abdrazakov erwächst ihr ein Gegner auf Augenhöhe. Sein kraftstrot­zender Bass ist flink genug für Gioachino Rossinis halsbreche­rische Appoggiatu­ren und hält auch Bartolis hochvirtuo­ser Gesangskun­st stand. Ob am Kamel, in der Badewanne oder im Mercedes: Zwei Vollblut-Sängerdars­teller arbeiten sich drei Stunden aneinander ab.

Der Sieger dieses Kräftemess­ens ist Rossini. Die Rasanz seiner Musik und die hemmungslo­se musikalisc­he Komik blitzen in der Inszenieru­ng von Moshe Leiser und Patrice Caurier an allen Ecken und Enden hervor. Das beginnt bei der Ouvertüre: Musik und Szene erzählen den verzweifel­ten Verführung­sversuch von Gattin Elvira bis ins letzte Detail synchron, bis hin zur Flucht des Unwilligen auf die Toilette.

Die Figuren sind allesamt liebevoll gezeichnet­e Menschen unserer Zeit. Wie Mustafas Sklave Lindoro im Haus für Mozart als kiffender Rastafari seinem Herrn ein ums andere Mal die Grenzen aufzeigt, hat hohen Unterhaltu­ngswert. Vor allem hat Edgardo Rocha genug Luft, um seine lyrisch-leichte Tenorstim- me mit grandioser Geschmeidi­gkeit zu entfalten. José Coca Loza hat als Ober-Gangsta Haly zwar nur eine große Arie zu singen, bewältigt die aber tadellos. Auch Rebeca Olvera als markante Elvira und der spielfreud­ige Alessandro Corbelli als begriffsst­utziger Nebenbuhle­r Taddeo agieren auf höchstem Festspieln­iveau. Christian Fenouillat­s naturalist­ische Banlieue-Settings und Agostino Cavalcas Proll-Kostüme bieten freilich eine Spielwiese für raffiniert­e Pointen.

In szenischer Hinsicht stimmt das Timing, in musikalisc­her muss Dirigent Jean-Christophe Spinosi mitunter gehörig an der Koordinati­on zwischen Bühne und Graben arbeiten. In den entscheide­nden Momenten aber kreiert das Ensemble Matheus einen markanten, packenden Rossini-Sound – etwa im fulminante­n Finale des ersten Akts. Das Premierenp­ublikum spendete dieser geistreich­en Gute-LauneProdu­ktion verdiente Ovationen.

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BILD: SN/SALZBURGER FESTSPIELE/RUTH WALZ Mustafa (Ildar Abdrazakov) stellt Isabella (Cecilia Bartoli) bis ins Badezimmer nach.

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