Und immer wieder regnet es
In Meg Stuarts Stück „Blessed“schlägt der Klimawandel zu.
Während in Europa die Hitzewelle andauert und die Dürre Rekordschäden verursacht, regnet es fast unaufhaltsam in Meg Stuarts Stück „Blessed“. Bereits vor mehr als zehn Jahren hat die in Berlin lebende US-Choreografin ihr Stück auf Basis der Wetterkapriolen, die dem Klimawandel geschuldet sind, auf die Bühne gebracht und tourt bis heute mit „Blessed“durch die Welt. Seit Mittwoch gibt das Meisterwerk nun beim Festival ImPulsTanz einen imposanten Eindruck von Stuarts Arbeitsweise. Stets verbindet sie Bewegung und Erzählung, dafür erhielt die Künstlerin im Juli bei der Tanz-Biennale in Venedig den Goldenen Löwen.
In Wien sind derzeit mehrere ihrer Arbeiten zu sehen. Gemeinsam mit dem Amerikaner Mark Tompkins zeigt sie „Serious Fun“, mit ihrer Compagnie Damaged Goods „Solos and duets“sowie eben den Klassiker „Blessed“, den sie zusammen mit dem portugiesischen Tänzer Francisco Camacho entwickelte.
„Blessed“präsentiert ein Bild unserer Welt, das längst von der Wirklichkeit eingeholt wurde. Ein Mann – Francisco Camacho – durchmisst die Bühne. Roboterartig stolziert er durch seinen Garten, lehnt an einer Palme, bewundert einen Schwan und sein Häuschen. In weißem Hemd und weißer Hose tritt er als saturierter Strahlemann und glücklicher Gewinner auf. Doch die Natur macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Während er sich an Hab und Gut erfreut, beginnt es zu regnen. Eine Sprinkleranlage bietet Varianten von Niesel- bis Starkregen. Die selbstgerechte Haltung des Mannes beginnt brüchig zu werden. In kleinen Bewegungen macht Camacho die zunehmende Unruhe des Protagonisten sichtbar. Als die Palme bricht, knickt auch der Körper des Mannes. Das Wasser weicht den Schwan und das Haus auf, das gesamte Bühnenbild ist aus Karton, der verklumpt und davonschwimmt. Camacho verschmilzt mit den Resten seiner „Existenz“und taucht als Phönix aus der Asche – oder vielmehr aus dem Schlamm – wieder auf. Der Regen lässt nach, in Jeans, Jesus-Shirt und blumiger HippieMaske sucht er nach neuem Glück. Die Natur aber ist erbarmungslos und der vom Wirtschaftswachstum Gesegnete („Blessed“) ist selbst Verursacher der Umstände.
An Camachos fast nacktem Körper macht Stuart Zusammenhänge und Kausalitäten sichtbar. Wie eine Schaufensterpuppe steht er an der Rampe, lässt die Arme schwingen, während er mit Kleidung und Accessoires ausgestattet wird. Dabei wird der Verweis auf die Ausbeutung von Mensch und Natur durch Großkonzerne sichtbar, allein schon sein Helm, an dem Cola-Dosen affichiert sind, spricht Bände.
Präzise und mit virtuoser Körperbeherrschung erzählen Meg Stuart und Francisco Camacho von der Verletzlichkeit und der Widerstandskraft des Menschen in einer Welt, die unsere Vorstellungen von Sicherheit längst zur Illusion erklärt hat.