Gewalt und Liebesschwüre
Jede fünfte Frau in Österreich kennt Gewalt in der Beziehung. Warum viele von ihnen trotzdem bei ihren Männern bleiben und was die Täter dazu sagen.
8466, 2013: 8307, 2012: 8063).
Dabei ist die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt sehr hoch. Die Familie ist jener Ort, an dem nach Schätzungen der Polizei 90 Prozent aller Gewalttaten verübt werden. Demnach hat jede fünfte Frau schon einmal Gewalt in einer Beziehung erlebt.
Warum aber bleiben viele von ihnen mit ihrem Partner zusammen, der sie schlägt, sexuell missbraucht, in der Öffentlichkeit schlechtmacht oder einsperrt? „Sie wollen ihm noch eine Chance geben. Männer können ein sehr manipulatives Verhalten an den Tag legen. Schlägt einer seine Frau zum ersten Mal, entschuldigt er sich und macht Liebesschwüre mit dem Versprechen, dass so etwas nie wieder vorkommt“, sagt Jasmin Ruprecht, Psychotherapeutin in Villach.
Zu ihr kommen Paare, die nach Auswegen aus der Gewaltspirale zu Hause suchen. Gewalt ziehe sich durch alle Bevölkerungs- und Bildungsschichten sowie durch alle Altersgruppen, berichtet sie und erklärt, dass gerade körperliche Gewalt schnell und unvermittelt komme. Frauen lebten daher in ständiger Angst, dass ihr Mann einen Wutausbruch bekomme. Nach einem Angriff folge eine Phase der Hoffnung, dass er sich bessere. „Täter können ihr Verhalten aber nicht stoppen. Sie waren als Kinder oft Opfer. Dass sie später Gewalt ausüben, wollen sie vielleicht gar nicht. Aber da ist der Zug des Unbewussten bereits abgefahren“, macht die Therapeutin einen Erklärungsversuch, wieso es selten bei einem einzigen Übergriff bleibt.
Dennoch gibt es Frauen, die nach Gewalterfahrungen in guten Beziehungen landen. Ruprecht: „Das sind jene, die beim ersten Angriff einen harten Schlussstrich ziehen und sich nichts gefallen lassen. Solche Frauen haben schon in der Kindheit gelernt, dass ihre Grenzen respektiert werden.“Dass man bei anderen Frauen hingegen das Gefühl bekommen kann, sie würden sich „schlechte Männer“in Serie aussuchen, erklärt Ruprecht mit dem sogenannten Wiederholungszwang. Dieser sorgt dafür, dass Frauen sich immer und immer wieder mit gewaltbereiten Männern einlassen. „Dabei geht es den Frauen darum, in der neuen Partnerschaft alles richtig zu machen. Doch dann gibt es wieder Gewalt und sie schaffen den Ausstieg ohne Therapie nicht.“
Auch gewalttätige Männer sollen in die Aufarbeitung von Gewaltdelikten eingebunden werden. Das sagte Karoline Edtstadler (ÖVP), Staatssekretärin im Innenministerium, kürzlich in einem SN-Interview. Bisher wurden nach Anzeigen wegen häuslicher Gewalt nur die Daten der Opfer an Hilfseinrichtungen weitergegeben. Nun soll der rechtliche Rahmen geschaffen werden, damit Beratungsstellen in Notfällen auch Täterdaten bekommen, um Männer zum Gespräch einzuladen.
Wie es Männern geht, die Frauen gegenüber gewalttätig und damit straffällig werden, weiß Alexander Haydn. Der Therapeut bei der Wiener Männerberatung arbeitet mit jenen, die vom Gericht zugewiesen werden. Die wenigsten Männer kommen von selbst, um sich ihrem Problem zu stellen. „Es gibt nicht den einen Grund, warum jemand zum Täter wird. Oft spielen viele Faktoren zusammen – eigene Gewalterfahrungen, Frust in der Arbeit, hoher Testosteronspiegel. Das Thema ist schambehaftet. Es dauert, bis die Männer sich bei uns öffnen.“Der häufigste Grund, warum sie weg von Gewalt wollen: Sie möchten ihre Frauen behalten. Doch Zahlen darüber, wie viele Männer nach der Therapie erneut zu Tätern würden, fehlten in Österreich, klagt der Männerberater.