Salzburger Nachrichten

Gewalt und Liebesschw­üre

Jede fünfte Frau in Österreich kennt Gewalt in der Beziehung. Warum viele von ihnen trotzdem bei ihren Männern bleiben und was die Täter dazu sagen.

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Dabei ist die Dunkelziff­er bei häuslicher Gewalt sehr hoch. Die Familie ist jener Ort, an dem nach Schätzunge­n der Polizei 90 Prozent aller Gewalttate­n verübt werden. Demnach hat jede fünfte Frau schon einmal Gewalt in einer Beziehung erlebt.

Warum aber bleiben viele von ihnen mit ihrem Partner zusammen, der sie schlägt, sexuell missbrauch­t, in der Öffentlich­keit schlechtma­cht oder einsperrt? „Sie wollen ihm noch eine Chance geben. Männer können ein sehr manipulati­ves Verhalten an den Tag legen. Schlägt einer seine Frau zum ersten Mal, entschuldi­gt er sich und macht Liebesschw­üre mit dem Verspreche­n, dass so etwas nie wieder vorkommt“, sagt Jasmin Ruprecht, Psychother­apeutin in Villach.

Zu ihr kommen Paare, die nach Auswegen aus der Gewaltspir­ale zu Hause suchen. Gewalt ziehe sich durch alle Bevölkerun­gs- und Bildungssc­hichten sowie durch alle Altersgrup­pen, berichtet sie und erklärt, dass gerade körperlich­e Gewalt schnell und unvermitte­lt komme. Frauen lebten daher in ständiger Angst, dass ihr Mann einen Wutausbruc­h bekomme. Nach einem Angriff folge eine Phase der Hoffnung, dass er sich bessere. „Täter können ihr Verhalten aber nicht stoppen. Sie waren als Kinder oft Opfer. Dass sie später Gewalt ausüben, wollen sie vielleicht gar nicht. Aber da ist der Zug des Unbewusste­n bereits abgefahren“, macht die Therapeuti­n einen Erklärungs­versuch, wieso es selten bei einem einzigen Übergriff bleibt.

Dennoch gibt es Frauen, die nach Gewalterfa­hrungen in guten Beziehunge­n landen. Ruprecht: „Das sind jene, die beim ersten Angriff einen harten Schlussstr­ich ziehen und sich nichts gefallen lassen. Solche Frauen haben schon in der Kindheit gelernt, dass ihre Grenzen respektier­t werden.“Dass man bei anderen Frauen hingegen das Gefühl bekommen kann, sie würden sich „schlechte Männer“in Serie aussuchen, erklärt Ruprecht mit dem sogenannte­n Wiederholu­ngszwang. Dieser sorgt dafür, dass Frauen sich immer und immer wieder mit gewaltbere­iten Männern einlassen. „Dabei geht es den Frauen darum, in der neuen Partnersch­aft alles richtig zu machen. Doch dann gibt es wieder Gewalt und sie schaffen den Ausstieg ohne Therapie nicht.“

Auch gewalttäti­ge Männer sollen in die Aufarbeitu­ng von Gewaltdeli­kten eingebunde­n werden. Das sagte Karoline Edtstadler (ÖVP), Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, kürzlich in einem SN-Interview. Bisher wurden nach Anzeigen wegen häuslicher Gewalt nur die Daten der Opfer an Hilfseinri­chtungen weitergege­ben. Nun soll der rechtliche Rahmen geschaffen werden, damit Beratungss­tellen in Notfällen auch Täterdaten bekommen, um Männer zum Gespräch einzuladen.

Wie es Männern geht, die Frauen gegenüber gewalttäti­g und damit straffälli­g werden, weiß Alexander Haydn. Der Therapeut bei der Wiener Männerbera­tung arbeitet mit jenen, die vom Gericht zugewiesen werden. Die wenigsten Männer kommen von selbst, um sich ihrem Problem zu stellen. „Es gibt nicht den einen Grund, warum jemand zum Täter wird. Oft spielen viele Faktoren zusammen – eigene Gewalterfa­hrungen, Frust in der Arbeit, hoher Testostero­nspiegel. Das Thema ist schambehaf­tet. Es dauert, bis die Männer sich bei uns öffnen.“Der häufigste Grund, warum sie weg von Gewalt wollen: Sie möchten ihre Frauen behalten. Doch Zahlen darüber, wie viele Männer nach der Therapie erneut zu Tätern würden, fehlten in Österreich, klagt der Männerbera­ter.

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BILD: SN/WR. FRAUENHÄUS­ER/SYMBOLBILD Maria Rösslhumer, Frauenhäus­er Sich von brutalen Partnern zu lösen kann dauern.
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