Handlungskorridor für Raumplanung
In Salzburg ist nur ein Fünftel der Fläche besiedelbar. Dementsprechend groß ist die Nachfrage nach Grund und Boden. Der für die Raumordnung zuständige Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) möchte Fehlentwicklungen gegensteuern.
SN: Herr Landesrat, in keinem anderen Land Europas schreitet der „Bodenfraß“so rasch voran wie in Österreich. Muss man sich auch in Salzburg Sorgen machen? Josef Schwaiger: In Österreich werden pro Tag 16 Hektar Boden verbraucht, das sind 22 Fußballfelder. Jeden Tag werden in Salzburg eineinhalb Fußballfelder verbraucht. Die Auswirkungen spüren wir vor allem bei extremen Wetterereignissen immer häufiger in Form von Überflutungen und Muren.
Salzburg ist ein Land, in dem lediglich rund ein Fünftel der Fläche besiedelt werden kann. Hier treffen verschiedenste Nutzungsinteressen auf engstem Raum aufeinander: vom Bedürfnis nach Wohnraum, Arbeitsraum, Mobilitätsraum bis hin zu Erholungsund Naturschutzraum. Umso wichtiger ist es, mit diesem knappen Gut entsprechend sorgsam umzugehen. Das will und werde ich entsprechend tun! SN: Hat bei uns in Salzburg die Raumordnung versagt? Oder ist alles halb so schlimm? Fehlentwicklungen haben in der Vergangenheit sicherlich auch stattgefunden, aber es gibt auch sehr gute Beispiele, wie es funktioniert. Unsere aktuelle Herausforderung besteht darin, den Bodenverbrauch so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig die dynamische Entwicklung, in der sich das Bundesland befindet, auch weiterhin nicht zu bremsen. SN: Wenn wir im Vergleich nach Bayern fahren, sieht man, dass die Landschaft viel weniger zersiedelt ist. Was läuft dort besser? Aus der Vogelperspektive ist der ländliche Raum dort geordnet. Allerdings hat Bayern dort, wo großer Siedlungsdruck herrscht – beispielsweise im Großraum München –, ebenso mit Zersiedelung zu kämpfen. In Regionen ohne Siedlungsdruck hingegen, ist die Dynamik kaum mehr spürbar. Diese Regionen sind mit dem Flachland in Salzburg nicht mehr vergleichbar. SN: Die Baubehörde erster Instanz soll auch zukünftig in der Gemeinde verbleiben? Hat denn das Land genug Möglichkeiten, die Entwicklung zum Positiven zu steuern? Ja! Bei uns ist die Raumordnung in den Gemeinden dann gut aufgehoben, wenn das Bewusstsein vorhanden ist, dass vor allem sie selbst für eine gute Entwicklung der Gemeinde verantwortlich sind. Unsere gesetzliche Grundlage und die Mutter aller weiteren Planungsschritte in der Raumordnung ist das Räumliche Entwicklungskonzept. Wir begleiten die Gemeinden künftig verstärkt und partnerschaftlich bei der Erstellung der für die Zukunft so wichtigen Räumlichen Entwicklungskonzepte.
Ich betone aber nochmals: Das Land ist Aufsichtsbehörde und nimmt diese Rolle für die grundsätzliche Planung künftig wesentlich konsequenter wahr als bisher. SN: Also alles bestens? Ich will nicht über vergossene Milch in der Vergangenheit sprechen, sondern für die Zukunft etwas voranbringen. Wir wollen die Verantwortung und Eigenständigkeit der Ge- meinden stärken. Ich werde einen Handlungskorridor mit Qualitätskriterien schaffen, sozusagen politische Leitplanken, und mich nicht vor allem mit Detailfragen beschäftigen. So bekommen die Gemeinden schnell das geeignete Werkzeug in die Hand. Ich werde alles dazu beitragen, dass die Partnerschaft zwischen Gemeinden und Land Salzburg als solche gelebt wird. SN: War es ein Fehler, an jedem Kreisverkehr zwei, drei Supermarktketten bauen zu lassen? Und wie kann das Land hier zukünftig gegensteuern? Unter anderem wegen dieser Entwicklungen haben wir ein neues Raumordnungsgesetz beschlossen. Wir wollen Herausforderungen wie die Zersiedelung, den rasch fortschreitenden Bodenverbrauch und das Aussterben der Ortskerne entgegentreten. Das aktuelle Raumordnungsgesetz gibt uns die entsprechenden und geeigneten Werkzeuge in die Hand. Falls diese nicht ausreichen, sind sie im Jahr 2020 anzupassen. SN: Themenwechsel: Mit Oberösterreich gemeinsam gilt Salzburg als Vorreiter in der Datensammlung, was die Bodenfunktionsbewertung betrifft. Worum geht es hier genau und was haben wir davon? Grundvoraussetzung für effektiven Bodenschutz ist eine gute Datenbasis. Wo sind die besonders schützenswerten Böden etwa für die Wasseraufnahmen gegen Hochwässer, für die landwirtschaftliche Produktion oder für das Ökosystem?
Salzburg und Oberösterreich sind in Sachen Bodenfunktionsbewertung Vorreiter. Wir sind die Ersten, die eine flächendeckende Bodenfunktionsbewertung im Geoinformationssystem SAGIS frei zugänglich zur Verfügung gestellt haben. Die anderen Bundesländer wollen diesbezüglich nachziehen, um eine österreichweit flächendeckende Bodenfunktionsbewertung umzusetzen. Mit diesen Daten sind parzellenscharf qualitative Aussagen zur Leistungsfähigkeit und Bedeutung der Böden möglich. SN: Bei diesem Thema geht es auch um Bewusstseinsbildung: Was geschieht hier im Land Salzburg, um der Bevölkerung klarzumachen, dass wir nicht unendlich viel Bodenressourcen haben? Ich bin überzeugt davon, dass wir den Salzburgerinnen und Salzburgern von Kindesbeinen an die Bedeutung der endlichen und für uns entscheidenden Lebensgrundlagen, unter anderem auch des Bodens, näherbringen müssen. Dies gelingt bereits in den Fachdienststellen des Landes und in der Bodenschutzberatung der Landwirtschaftskammer durch ein Bildungsangebot für Lehrer und Schüler, durch Beratungsmaßnahmen für Landwirte, durch Seminare für Verwaltung und Bauwirtschaft.
Neben theoretischen Informationen haben wir zur Verdeutlichung des Themas vor Kurzem einen Bodenlehrpfad in Mariapfarr, den Boden-Kultur-Weg, errichtet, auf dem Schüler, Einheimische und Gäste die Bedeutung des Bodens auf einfach zugängliche Art „begreifen“können.