1981 Alles klar, Herr Kommissar?
Wer ist der größte Star im Land? 1981 lieferte Falco erste Verdachtsmomente. Die Spur führte auch nach Salzburg.
Falco, der Superstar. Falco, der Meister der Selbstinszenierung und der charmanten Überheblichkeit. Falco, der unterschätzte Lyriker. Weil sich heuer sein Todestag zum 20. Mal gejährt hat, waren seine Person, seine Musik und seine Sprüche bereits zu Jahresbeginn wieder in aller Munde.
Falco? Welcher Falco? Im Jahr 1981 hatte der Name noch keinen großen Klang. Seine zweite Identität hatte sich Johann Hölzel, 24, damals zwar längst zugelegt. Als Mitglied der Schockrock-Truppe Drahdiwaberl hatte er auch schon einen Untergrundhit mit dem Titel „Ganz Wien“geliefert. Der erste sachdienliche Hinweis auf das, was noch kommen könnte, tauchte aber erst im Dezember 1981 überfallsartig auf dem Musikmarkt auf. „Ich hab da einen, aus dem wird noch einmal was“: Mit diesen Worten wollte Falcos PRManager damals einer Salzburger Journalistin ein Interview mit dem noch unbekannten Sänger schmackhaft machen. Claudia Karner schrieb zu der Zeit für verschiedene Medien über die Musikszene. Anlässlich einer Starparty, die von den „Salzburger Nachrichten“und dem „Rennbahn Express“am 8. Dezember im Kongresshaus veranstaltet wurde, habe sie eigentlich Franz Morak interviewen wollen, erinnert sich Karner. Der Burgschauspieler und spätere ÖVP-Kulturpolitiker machte damals als Rockstar Furore. Auch Frank Zander und die Cosmetics waren Teil der Show. Peter Cornelius feierte als Austropop-Pionier bereits sein Comeback. Und Falco kam als Überraschungsgast. Ihn groß anzukündigen, hätte wohl auch wenig Sinn gehabt. „Die Single ,Der Kommissar‘ war ja eben erst erschienen. Er war ein Insidertipp“, erzählt Karner. Doch nur wenige Wochen später war der Fall klar: „Der Kommissar“führte die heimische Hitparade an. Spitzenplätze in Europa folgten. Und sein erster Einstieg in die US-Charts lieferte einen Anfangsverdacht für den Coup, den Falco später mit „Amadeus“als erster und immer noch einziger deutschsprachiger Popstar mit einer Nummer 1 in Amerika landen sollte.
Verdächtig klang die Mischung aus wienerischem Slang und lässig eingestreutem englischen Rap-Vokabular, mit der Falco Furore machte, aber auch wegen ihrer Inhalte. In einer „Club 2“-Debatte, die 1982 ausgestrahlt wurde, fragte Moderatorin Louise Martini ihren Gast, was es denn mit der Zeile „Den Schnee, auf dem wir alle talwärts fahren, kennt heute jedes Kind“auf sich habe. Dass es sich bei diesem Schnee um eine absichtliche Chiffre für Kokain handeln könnte, verneinte Falco treuherzig lächelnd. Freilich aber dürfe jeder hineininterpretieren, was er wolle. Vielleicht kannte die Gastgeberin Falcos Song „Ganz Wien“nicht, dessen Text bereits 1980 eine recht unchiffrierte Aufzählung von Rauschmitteln geliefert hatte („Ganz Wien greift auch zu Kokain, überhaupt in der Ballsaison“) und von Ö3 prompt auf die rote Liste gesetzt worden war. Im „Kommissar“fand sich auch darauf eine Anspielung („Nichtsdestotrotz, ich bin es schon gewohnt, im TV-Funk da läuft es nicht“). Das Thema scheint zumindest in der Luft zu liegen: 1980 hatte Franz Morak seinen „schneeweißen New-Wave-Schizo-Punk“besungen, Wolfgang Ambros hatte das Album „Weiß wie Schnee“herausgebracht. Genug zu tun also für den „Kommissar“, den Falco 1981 in der Szene umgehen ließ. Die Idee war ihm nach einem Gastauftritt als Musiker in der Serie „Kottan ermittelt“gekommen.
Bei seinem Überraschungseinsatz in Salzburg traf er indes auch musikalisch sofort ins Schwarze. Vom „vielumjubelten“Kurzauftritt, den „ein Sänger namens Falco“hingelegt habe, berichteten die SN. Mit seiner Musik, sagte er danach im Interview mit Karner, wolle er ein Sprachrohr sein für seine Generation „mit ihren Problemen und Ängsten“.
Wie wenig Pop und Rock noch zum anerkannten Kulturkanon zählten, ließ sich damals ebenfalls in den Nachrichten lesen. Wenn Eltern sich ihren Kindern zu wenig erzieherisch widmeten, könne das dazu führen, dass Zehnjährige lieber Rockgruppen um Rat fragen, warnten Experten bei einer pädagogischen Tagung. Von eigenen Institutionen für junge Kultur wie der Arge Nonntal und dem Rockhouse war Salzburg 1981 noch meilenweit entfernt. „Züri brännt, Salzburg pennt“lautete der Titel eines Diskussionsabends. Er spielte auf die Jugendrevolten an, die zuvor in der Schweiz ausgebrochen waren, nachdem Mittel für ein Jugendzentrum nicht bewilligt worden waren, während für die Opernsanierung 60 Mill. Franken bereitstanden. „Schmeißt die Rockrabauken raus und renoviert das Opernhaus“, stichelte Falco später im Song „Auf der Flucht“(1982).
Dass der Popstar zwischen Ernst und Ironie blitzschnell umschalten konnte, daran musste man sich nicht nur im „Club 2“erst gewöhnen. „Im Interview mit mir hat er erzählt, er habe eine Hundedame, die ihn so beschäftige, dass er keine Zeit für eine Beziehung habe“, erinnert sich Karner an die erste Begegnung. Beim nächsten Treffen 1982 – Falco trat bereits als Star auf – habe er sie lachend begrüßt: „Dir kann man auch jeden Schmäh erzählen. Ich hab gar keinen Hund.“Von Arroganz sei aber nichts zu spüren gewesen: „Er war ein junger Künstler, dem es Spaß machte, dass sich plötzlich alles um ihn drehte – und der wohl selbst noch nicht ahnte, welche Lawine er lostreten würde.“