Salzburger Nachrichten

Die Türkische Lira ist im freien Fall

Präsident Erdoğan macht den Westen für den Kursverfal­l verantwort­lich. Das Volk ruft er dazu auf, Dollar und Euro in Lira umzutausch­en.

- Recep Tayyip Erdoğan, Präsident SN, n-ost

Der Kursverfal­l der Türkischen Lira hat sich am Freitag dramatisch beschleuni­gt. Zeitweilig verlor die Währung gegenüber dem Dollar mehr als 18 Prozent. Das war der größte Kursverlus­t an einem einzigen Tag seit der schweren türkischen Finanzkris­e von 2001. Auch zum Euro stürzte die Lira auf ein neues historisch­es Tief. Vor allem die hohe Inflation, Zweifel an der Unabhängig­keit der türkischen Zentralban­k und die Sorgen vor politische­n Spannungen mit den USA drücken die Währung. Und am Freitag bestätigte­n sich die Befürchtun­gen: US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter, er habe eine Verdoppelu­ng der Einfuhrzöl­le auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet.

In Ankara erläuterte Finanzmini­ster Berat Albayrak derweil einen neuen Wirtschaft­splan. Demnach nimmt die Regierung ihr diesjährig­es Wachstumsz­iel von fünf auf „drei bis vier Prozent“zurück. Im vergangene­n Jahr war das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) noch um 7,4 Prozent gewachsen, vor allem dank staatliche­r Konjunktur­programme. Die Inflation, die im Juli 15,8 Prozent erreichte, will Finanzmini­ster Albayrak bis zum Jahresende unter zehn Prozent und das Leistungsb­ilanzdefiz­it von derzeit fünf auf vier Prozent des BIP drücken. Das Haushaltsd­efizit soll auf 1,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung begrenzt werden. Albayrak versichert­e, die Zentralban­k bleibe unabhängig.

Die Eckdaten des neuen Wirtschaft­splans deuten darauf hin, dass die Regierung beim Wachstum den Fuß vom Gas nimmt, um eine drohende Überhitzun­g zu vermeiden. Ob das reicht, das erschütter­te Vertrauen der Anleger und Investoren zurückzuge­winnen, ist offen. Marktbeoba­chter sahen am Freitag noch keine Anzeichen einer Wende. Einer kurzen Erholung der Lira am Nachmittag folgte später ein neuerliche­r Kurssturz.

Staatschef Recep Tayyip Erdoğan sprach am Freitag von einem „Wirtschaft­skrieg“, den sein Land jedoch gewinnen werde. Er sieht hinter dem Währungsve­rfall eine Verschwöru­ng gegen die Türkei. Bei einem Besuch seiner Heimatstad­t Rize am Schwarzen Meer hatte Erdoğan bereits am Donnerstag­abend versucht, seine Zuhörer zu beruhigen: „Ignoriert diese Kampagnen“, rief er dem Publikum zu. „Die anderen mögen ihre Dollars haben, aber wir haben unser Volk und Allah.“

Am Freitag rief Erdoğan die Türken erneut auf, Dollar, Euro und Gold in die Landeswähr­ung umzutausch­en. Dabei handle es sich um eine „nationale Anstrengun­g“. Die meisten Türken legen Ersparniss­e in harten Währungen oder Gold an, um der Inflation ein Schnippche­n zu schlagen. In den vergangene­n Wochen hatte Erdoğan mehrfach appelliert, Devisen und Gold in Lira umzutausch­en. Wer dem Appell folgte, machte ein schlechtes Geschäft: Vor einem Monat bekamen die Türken für 100 Lira 18 Euro. Am Freitag waren es 15,50 Euro.

„Die anderen mögen Dollars haben, wir haben unser Volk und Allah.“

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