Salzburger Nachrichten

Eine Stunde mit Beethoven

Für alle neun Symphonien Beethovens brauchen Teodor Currentzis und sein Orchester MusicAeter­na fünf Abende. Wolfgang Mitterer braucht nur eine Stunde.

- Wolfgang Mitterer „Nine in One“(Col Legno).

Was man zu Ludwig van Beethoven sagen kann, formuliert im Moment wahrschein­lich keiner so wichtig und dringlich wie Teodor Currentzis – so sagt das Markus Hinterhäus­er, Intendant der Salzburger Festspiele. Darum hat er Currentzis und dessen Orchester MusicAeter­na eingeladen, heuer alle neun Symphonien Beethovens zu interpreti­eren. In den 1990erJahr­en machte das in Salzburg auch Nikolaus Harnoncour­t. Und als Konzertche­f hatte Hinterhäus­er vor zehn Jahren die Kammerphil­harmonie Bremen mit Paavo Järvi für einen Beethoven-Zyklus nach Salzburg geholt. Wer immer alle Neune hören will, muss dafür mehrere Abende einplanen.

Wer hören will, wie der Osttiroler Wolfgang Mitterer die Auseinande­rsetzung mit Beethoven aufnimmt, dem reicht beim Zuhören eine Stunde.

„Nine in One“heißt das neue Album des Komponiste­n, der heuer auch die neue Musik für den „Jedermann“auf dem Domplatz geschriebe­n hat. „Nine in One“ist auf der Basis der Beethoven Symphonien ein neues Stück. „Warum sollte ich etwas komponiere­n, das es schon gibt, da wäre mir langweilig“, sagt Mitterer im SN-Gespräch.

Möglich wurde die Umsetzung der Idee, weil das Label Col Legno, auf dem Mitterers Werke erscheinen, einst alle neun Symphonien des Haydn-Orchesters unter Gustav Kuhn veröffentl­icht hat und so die Rechte darauf besitzt. Das war die Chance für einen, der nichts von der traditione­llen Wiederholu­ng im Klassikbet­rieb hält. Mitterer hat die Aufnahmen 2006 bekommen. Er spielte sie auf seine Rechner und hat dann „geschaut, wie das ganze Zeug zusammenge­ht“.

Dazu legte er alle ersten, zweiten, dritten und vierten Sätze der Symphonien übereinand­er. Bald kamen Zweifel. „Was ich mir vorgenomme­n hatte, war weder etwas für Beethoven-Freunde, aber es ist auch nichts für Leute die keine Ahnung haben von der Musik Beethovens“, sagt er. Damit hatte er aber auch jenen Platz gefunden, auf dem er ohnehin seit vielen Jahren sitzt: nicht zwischen allen Stühlen, sondern immer auf einem eigenen.

Ein Jahr nach den ersten Versuchen probiert er es noch einmal. „So ging es dann weiter. Irgendwann habe ich angefangen, mit dem Keyboard dazuzuspie­len, Samples einzubauen.“Das habe die Stücke nach und nach verändert.

Der 60-Jährige vergleicht die Arbeit mit einer Übermalung oder „eher noch mit Bildhauere­i“. Man habe ein Grundmater­ial – „in diesem Fall hatte ich sogar ein lebendiges.“Bei diesem Grundmater­ial schaue er, „wie man etwas herausklop­fen kann, wie man es formen kann für sich und seine Ideen“. Dann treffen sich Kompositio­n und Improvisat­ion, eindeutige Spuren Beethovens tauchen auf, verschwimm­en wieder, kehren zurück, werden von Electronic überspült. „In dem, was auf dem Album zu hören ist, steckt immer noch genug Beethoven“, sagt er. Es habe andere Versionen gegeben, die radikaler gewesen seien.

Berechenba­r ist Mitterer nie. Seit den frühen 1980er-Jahren streift er zwischen Klassik, Jazz, Avant-Pop, bedient sich aller musikalisc­hen Ausdrucksm­öglichkeit­en, mischt Orchester mit Electronic, verdichtet für Kleinforma­tionen oder greift weit aus in großen Besetzunge­n. Es gehe dabei immer darum, selbst etwas zu lernen. „Mein Blick auf Beethoven war intensiv – es war fast wie ein Studium. Wie macht er etwas, wohin geht sein Blick? Aber damit hat es sich nach der Arbeit auch schon wieder.“

Manche Dinge fügten sich dann leicht zusammen. Andere gingen gar nicht, blieben liegen und gespeicher­t. „Letztendli­ch ist auch diese Arbeit an Beethoven eine Geschmacks­frage. Es entsteht etwas, das meinem Geschmack entspricht – alles andere wäre auch komplett sinnlos und immer fängt alles bei null an“, sagt Mitterer. Und so ist er sich jetzt, da das Album eben erst erschienen ist, auch gar nicht mehr sicher, ob ihm das „in fünf Jahren noch gefällt“. Anderersei­ts: „Es sind jetzt zwölf Jahre, die ich immer wieder mit der Arbeit verbracht habe. In zwölf Jahren sollte das einigermaß­en so sein, dass es funktionie­rt.“Denn es gilt: Kein Blick zurück! „Sich einarbeite­n, lernen, tiefer auf den Grund gehen – und dann weitergehe­n“, sagt Mitterer.

„Da drin ist noch genug Beethoven.“

Album:

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BILD: SN/APA/NEUBAUER Streng schaut der Meister, Wolfgang Mitterer ist das egal.
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Wolfgang Mitterer, Komponist

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