Salzburger Nachrichten

Mozart gewährt den Büßern gleich doppelte Erlösung

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Draußen fleht der Jedermann um Erlösung. Es ist ein anderer. Das seltene Ereignis fokussiert am Donnerstag die Aufmerksam­keit auf den Domplatz.

Drinnen, in der Stiftskirc­he von St. Peter, zelebriert Roger Norrington ein Hochamt. Die Aufführung der c-Moll-Messe, KV 427, steht Hofmannsth­als Mysteriens­piel in Sachen Tradition um nichts nach: Im Jahr 1927 haben Stiftung Mozarteum und Salzburger Festspiele Mozarts große Messkombin­ation an den Ort der Uraufführu­ng zurückgebr­acht. Die Kombinatio­n von Werk und Schauplatz verleiht der Aufführung – seit 1959 Jahr für Jahr – eine spezielle Aura.

31 Mal hat Bernhard Paumgartne­r hier dirigiert – wohl ein Rekord für die Ewigkeit. Roger Norrington war 1996 zu Gast, ein Jahr später wurde er Chefdirige­nt der Camerata Salzburg. Das erste von drei Dirigaten im Festspiels­ommer 2018 erweckt den Anschein, als spiele die Camerata unter Norrington­s Leitung noch ein wenig inspiriert­er. Immerhin hat der Brite diese Form des historisch informiert­en Musizieren­s mit modernen Instrument­en über eine Dekade lang mitgestalt­et. Welch Leichtfüßi­gkeit er etwa dem „Qui tollis“entlockt, wie er das Orchester und den exzellente­n Salzburger Bachchor zu Plastizitä­t, kontrastre­ichen Akzenten und fein geformten Steigerung­en anleitet: Das lässt das oft gehörte Werk in neuem Licht erscheinen.

Lucy Crowe führt mit ihrem traumhaft schlanken, zu atemberaub­enden dynamische­n Effekten fähigen Sopran ein britisches Solistenqu­artett um Katie Coventry, Rupert Charleswor­th und Edward Grint an. Norrington platziert die Sopranisti­n im „Et incarnatus est“inmitten der stehenden Holzbläser­solisten und erzielt damit einen verblüffen­d intimen Klangeffek­t.

Der Brite entscheide­t sich für die Version von Robert Levin, der den Torso mit Arien aus dem „Davide Penitente“und Skizzen aus der Entstehung­szeit ergänzt hat. Dadurch endet das Werk nicht mit dem „Hosanna in excelsis“, sondern einem himmlische­n „Agnus Dei“-Sopransolo und einem großen „Dona nobis pacem“-Finale. Den begeistert­en Hörern gewährt Mozart also gleich doppelte Erlösung.

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