„Es soll keine Sieger und Verlierer geben“
Die ORF-„Sommergespräche“moderieren dieses Jahr Nadja Bernhard und Hans Bürger. Im SN-Interview sprechen die beiden Journalisten über die Idee hinter der Doppelmoderation. Und über Politikeranrufe in der „ZiB“-Redaktion.
Erstmals nach einem Vierteljahrhundert moderieren wieder zwei ORF-Redakteure die „Sommergespräche“. Den letzten vergleichbaren Versuch wagte der Rundfunk 1992 – mit Johannes Fischer und Helmut Brandstätter, dem heutigen „Kurier“-Chefredakteur. Ihre Nachfolger sind ab Montag „ZiB“-Moderatorin Nadja Bernhard (42) und Innenpolitikchef Hans Bürger (56). Im SN-Gespräch verraten sie, wie Hans Bürgers Schwiegermutter die „Sommergespräche“beeinflusst hat. Nadja Bernhard beschreibt ihre Leidenschaft für die Salzburger Festspiele. Und Hans Bürger erläutert, warum er einer Social-Media-Richtlinie für ORF-Redakteure auch Gutes abgewinnen kann. SN: Frau Bernhard, Herr Bürger, zum Einstieg gebe ich eine Frage weiter, die mir ein SN-Leser gestellt hat: Ist die aktuelle Politikergeneration derart ausgebufft, dass ein ORFInterviewer nicht mehr reicht? Nadja Bernhard: Man sollte nicht immer alles negativ sehen. Ich finde es positiv, dass nun drei Menschen dabei sind. So kann man vor allem inhaltlich breiter werden. Hans Bürger: Nadja kommt aus der Außenpolitik, ich aus der Innenpolitik. Bislang war man es ja gewöhnt, dass bei den „Sommergesprächen“die Innenpolitik dominiert hat. Aber vor allem in einem Jahr, in dem Österreich den EU-Vorsitz hat, bietet es sich geradezu an, unsere Kompetenzen zu bündeln. Auch die Konstellation Mann/Frau finde ich sehr spannend. SN: Die Gespräche sollen „Entschleunigung und Metaebene“bieten. Das klingt nicht nach Investigativinterviews ... Bürger: Ich glaube, Sie spielen auf die Sommergespräche mit Armin Wolf an. Ich finde, es kann schon von uns erwartet werden, dass wir ein ähnliches Tempo vorgeben. Und eine Frage wie jene von Armin, ob Kanzler Faymann Matura hat, kann auch bei uns kommen. Mir geht es aber schon darum, dass das Ganze kein Match mit einem Sieger und einem Verlierer werden soll. Bernhard: Mit „Metaebene“habe ich auch gemeint, dass wir andere Blickwinkel aufmachen wollen – etwas befreit vom Tagesaktuellen. SN: Neu ist auch der Interview-Ort: Wieso fiel die Wahl auf ein Wachauer Weingut? Bürger: An einem Sonntag bin ich an dem Weingut vorbeigefahren. Meine Schwiegermutter hat mir gesagt, dass es ganz neu ist. Also haben wir uns reingesetzt, haben auf Schloss Dürnstein geschaut – und dann kam die Idee. Im ORF wurde sie aber zunächst abgelehnt. Allein schon wegen der Kosten musste es Wien sein. Es hat dann eine Zeit gedauert, alle zu überreden ... SN: Kritiker mutmaßen, all die Änderungen sollen davor bewahren, dass die Quoten durchhängen – in einem Sommer mit Hundstagen und wenigen politischen Ereignissen ... Bernhard: Ich verstehe nicht, wieso wir deshalb Druck verspüren sollen. Wir lehnen uns nicht zurück und sagen, es ist egal, wie viele einschalten. Aber wenn an einem heißen Sommertag und bei geringerer politischer Brisanz 100.000 oder 150.000 weniger einschalten, ist das für mich durchaus verkraftbar. Bürger: Ich messe den Erfolg eher an dem, was für die Zuschauer schlussendlich übrig bleibt. SN: Servus TV hat dieses Jahr auch erstmals „Sommergespräche“aufgezogen, Puls 4 neuerlich. Haben Sie die Konkurrenz verfolgt? Bernhard: Ich hab es mir angesehen. Ich finde es auch gut, dass es diese Konkurrenz gibt. Aber man darf schon sagen, dass wir hier von anderen Dimensionen sprechen. Wenn Puls 4 sich wundert, dass ihre Gespräche schlecht gelaufen sind, liegt das wohl auch daran, dass das Publikum das Original sucht. Bürger: Die Gespräche auf den anderen Sendern beeinflussen uns insofern, dass wir bestimmte Fragen, die bereits x-mal gestellt wurden, bewusst vermeiden werden. SN: Der ORF ist ja auch immer wieder selbst Teil der politischen Debatte. Wird ORF-Politik auch in den „Sommergesprächen“eine Rolle spielen? Bürger: Ehrlich gesagt habe ich nicht vor, das eigene Unternehmen bewusst zu thematisieren. Bernhard: Ich glaube, mein „ZiB 2“Interview mit Norbert Steger (ORFStiftungsratvorsitzender, Anm.) hat gezeigt, dass wir uns dem Thema offen stellen. Aber damals war es gerade aktuell. Derzeit sehe ich wenig, was sich anbietet. Bürger: Aber ich fürchte mich auch nicht davor. Wenn Vizekanzler Strache am Vortag eine ORF-Reform ankündigt, werden wir natürlich darüber sprechen. SN: Gibt es von politischer Seite eigentlich Versuche, in irgendeiner Form Einfluss auf die Gespräche zu nehmen? Bürger: In den 20 Jahren, in denen ich Innenpolitikchef bin, hat noch nie jemand gefordert, dass wir diese oder jene Frage stellen sollen. Bei den „ZiBs“gibt es schon immer wieder Anrufe. Das sind aber Anregungen, Vorschläge. Und auch die sind mir völlig wurscht. Entscheidend ist ja, wie man damit umgeht. Ich kann Ihre Frage aber verstehen: Mich fragen Leute auf der Straße, ob wir den Politikern die Fragen vorab schicken. Dass das geglaubt wird, spricht nicht für den Berufsstand. Bernhard: Die Information hat noch nie so frei agieren können, wie unter Alexander Wrabetz. Auch beim Steger-Interview habe ich keinerlei Druck gespürt. Wir können vollkommen frei arbeiten. SN: Und auch von den – gerade neu gewählten – ChannelManagern und Chefredakteuren gibt es keinerlei Druck? Bürger: Seit ich im Haus bin, hat es noch nie ein Chefredakteur gewagt, mir vor einem Live-Kommentar, einer Live-Analyse mitgeben zu wollen, was ich sagen soll. SN: Stichwort: neue Channel-Manager und Chefredakteure. Haben Sie sich auch für einen der Posten beworben? Bürger: Ich habe mich als Chefredakteur für ORF 2 beworben. Seit 20 Jahren ist immer wieder davon die Rede, dass ich bald zum Karrieresprung ansetze. Jetzt habe ich mich das erste Mal wirklich beworben. Und dass den Posten ein anderer bekommen hat (Matthias Schrom, Anm.), ist für mich überhaupt kein Problem. Das, was ich jetzt mache, ist eh mein Traumjob. SN: Noch ein Themenwechsel: Was halten Sie von der angedachten Social-MediaRichtlinie für ORF-Journalisten? Bürger: Ich bin total bei Armin Wolf: Wenn ich in meinen Accounts nur das schreibe, was ich auch im Radio oder Fernsehen sagen würde, ist das okay. Und wenn ich das nicht tue, ist das nicht okay. Man darf auch nie vergessen, dass viele nur durch den ORF zu der öffentlichen Person geworden sind, die sie jetzt sind. Bernhard: Desto mehr die Medien verschmelzen, desto schwerer wird es, Grenzen zu ziehen. Auf Twitter ist man nie privat. SN: Sie sind also für eine Richtlinie, die die TV-Grundsätze auf Social Media ausweitet? Bürger: Ja, der Objektivitätsgrundsatz muss für alle Medien gelten. Und da das noch nicht passiert ist, sind auf Twitter manche weniger vorsichtig. SN: Frau Bernhard, noch eine privatere Frage zum Abschluss: Stimmt es, dass Sie Fan der Salzburger Festspiele sind? Bernhard: Ja, ich war heuer schon bei „Salome“, „Zauberflöte“und einer Mozart-Matinee. Das, was in Salzburg passiert, ist weltweit einzigartig. Bei den Festspielen kann ich mich total fallen lassen. Dazu kommt die politische Komponente, etwa durch die Eröffnungsrede. Was Salzburg bietet, ist fantastisch. „Sommergespräche“,