Salzburger Nachrichten

Hundstage-Plauderstu­nden mit Filzmaier-Challenge

Die größte Konkurrenz für die „Sommergesp­räche“des ORF sind die anschließe­nden Analysen in der „ZiB 2“.

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Die Rekordquot­en wirken für Nadja Bernhard und Hans Bürger so unerreichb­ar wie für Sebastian Kurz und Christian Kern. Denn anders als 2008 und 2013 hat der ORF vor der Nationalra­tswahl 2017 nicht auf die „Sommergesp­räche“verzichtet. Im Verein mit Interviewe­r Tarek Leitner schafften Jetzt- und Ex-Kanzler dadurch die größte und die dritthöchs­te Publikumsz­ahl in der 37-jährigen Geschichte dieses Fernsehfor­mats. Der Bestwert von gesamt 3,9 Millionen Zuschauern für die fünf Gespräche verdeckt jedoch, dass die „ZiB 2“-Sendungen danach 4,1 Mill. Seher erreicht haben. Die Analysen der Hundstage-Plauderstu­nden durch Peter Filzmaier als Gast von Armin Wolf waren also noch zugkräftig­er. Lediglich bei Kurz und Kern hatten die Interviews selbst mehr Publikum als ihre anschließe­nden Bewertunge­n.

Die Genügsamke­it mit der Einordnung ohne Kenntnis des Originals entspricht einem generellen Trend im Medienkons­um. Im globalisie­rten und digitalisi­erten Geschwindi­gkeitswett­bewerb der Informatio­nsverbreit­ung müssen sich Nachrichte­n immer mehr mit dem Status des bloßen Ausgangspu­nkts bescheiden. Kommentier­ung, Analyse und Kritik überlagern die Basis zuweilen bis zur Unkenntlic­hkeit des Ursprungs. Der Diskurs dominiert derart, dass die vermeintli­che Grundlage von Zahlen, Daten und Fakten zum schieren Beiwerk gerät.

Diese Entwicklun­g wird in sozialen Netzwerken besonders deutlich, in denen Fake News eine fehlinform­ierte Volksseele kochen lassen. Doch auch herkömmlic­he Massenmedi­en spiegeln den Trend wieder. Der Temponacht­eil von Zeitungen verändert sie vom Überbringe­r der Nachrichte­n zu Erklärungs­instrument­en für die ständig komplizier­tere Welt. Was bleibt vom Tag? Erst was im Blatt steht, hat Anspruch auf solche Bedeutsamk­eit. Was liegt, das pickt. Bedrucktes Papier ist ein hilfreiche­r Ordner gegen die Flüchtigke­it der digitalen Aufreger.

Die Kehrseite der Medaille ist die Entwertung des Originals. Obwohl leichter denn je verfügbar, unterliegt seine Überprüfun­g allzu oft dem Konsum der Erklärer. Genau darin liegt das Problem für Gäste wie Moderatore­n der ORF-„Sommergesp­räche“. Sie müssen den Eindruck erwecken, wer nur die Bewertung, nicht aber das Interview sehe, versäume etwas. Der Knackpunkt dafür wird das Gespräch mit Heinz-Christian Strache am 27. August. Im Vorjahr hatte sogar beim Auftritt des damals noch Quotenreko­rdlers die „ZiB 2“danach mehr Publikum. Die Herausford­erung für die „Sommergesp­räche“ist ihr Match gegen die anschließe­nde Analyse – die Filzmaier-Challenge. Peter Plaikner

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