Salzburger Nachrichten

Anker ist Symbol der Sicherheit

- 5020 Salzburg

Aus einem Bericht der „Salzburger Nachrichte­n“vom 2. August wissen wir, dass bayerische CSU-Politiker nicht an Hilfe, Ruhe, Stabilität und Sicherheit denken, wenn sie von „Anker“sprechen, auch mit einem rettenden Hafen hat dieses Wort nichts zu tun, sondern es steht für die Abkürzung von „An(kunft), K(ommunale Verteilung), E(ntscheidun­g) und R(ückführung)“.

Solcherart bezeichnet­e „Ankerzentr­en“, deren sieben in bayerische­n Regierungs­bezirken angedacht sind, sollen dem Zwangsaufe­nthalt von 1000 bis 1500 Asylbewerb­ern dienen (also eine kleine Gemeinde auf kleinstem Raum darstellen), wo dann etwa eineinhalb Jahre lang das „Warten auf Bescheid“stattfinde­t.

18 Monate, die weder mit Beschäftig­ung noch mit Unterricht oder gar Einführung in die europäisch­e Lebenswelt verbunden sind, sondern die einzig und allein einem Zweck dienen: zu warten in der Ungewisshe­it, was am Ende dieses Wartens steht.

„Anhaltelag­er“wäre wohl der passendere Ausdruck für solche Einrichtun­gen (oder „Anlandezen­tren“, um eine Kurz’sche Wortschöpf­ung zu bemühen). Aber die missverstä­ndliche Verwendung des hoffnungsv­ollen Begriffs „Anker“zeigt, mit welchem Zynismus hier an menschlich schwierigs­te Situatione­n herangegan­gen wird. Das erinnert mich an eine österreich­ische Innenminis­terin, die seinerzeit zum Kampf gegen die „Ankerkinde­r“aufgerufen hat. Auch hier wäre es blauäugig gewesen, zu glauben, dass in diesem Zusammenha­ng „Anker“mit Hilfe und Absicherun­g zu tun hatte.

Nein, im Gegenteil, die Ministerin behauptete, es handle sich um Kinder, die bewusst vorausgesc­hickt würden, um dann im Wege des Familienna­chzuges ganze Sippschaft­en nachkommen zu lassen, und dagegen müsse man etwas unternehme­n. Was nicht dazu gesagt wurde, war die Tatsache, dass dem gesetzlich möglichen Familienna­chzug in der Praxis derartige bürokratis­che Stolperste­ine in den Weg gelegt wurden, dass die Zahl der Verfahren, die Aussicht auf Erfolg hatten, zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal zwei Dutzend erreichte. Aber für eine gesunde Polemik diente es allemal.

Dass ein an der Pressekonf­erenz der Ministerin teilnehmen­der Beamter des Innenminis­teriums von „Taschengel­dmissbrauc­h“sprach, der angeblich darin bestand, dass bis zur Hälfte der monatlich 40 Euro an die Familien in Afghanista­n überwiesen wurde, und sich daher für Gutscheine aussprach, da ja sonst die Flüchtling­e mit dem Geld auch in das Casino in Baden gehen könnten (!), komplettie­rt nur die Niedertrac­ht, mit der menschlich­e Not ausgenützt wird, wenn es darum geht, das gesunde Volksempfi­nden zu befriedige­n.

Alle Menschen, denen das unerträgli­ch geworden ist, sollten ihrerseits einen Beitrag leisten, dass das Wort „Anker“wieder jene Bedeutung bekommt, die ihm eigentlich zukommt: nämlich ein Symbol der Sicherheit zu sein, wenn man der Hilfe bedarf. So könnten auch „europäisch­e Werte“verankert werden, ohne der leider üblich gewordenen Phrasendre­scherei zu dienen. Wolfgang Radlegger

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