Was tun gegen die Kältewelle?
Sechs Stunden „Hunger“in der Frittenbude, „Salome“ohne Schleiertanz – die Festspiele sind immer für Innovationen gut. Eine der herausragendsten Neuerungen liefert der ORF: Er überträgt Aufführungen live-zeitversetzt!
Das heißt, er überträgt nicht live, sondern zeitversetzt, da live aber besser klingt als zeitversetzt, nennt der ORF es nicht zeitversetzt, sondern live-zeitversetzt. Diese leicht realitätsversetzende Bezeichnung wird zweifellos Schule machen. Man kann sich darauf einstellen, dass die Regierung ihre Reformen ab Herbst sozial-gerechtigkeitsversetzt durchführen wird.
Falschparker werden sich in Zukunft damit rechtfertigen, dass sie völlig korrekt-ortsversetzt geparkt hätten. Ehe- männer werden trotz Seitensprüngen versichern, sie seien treu-bettversetzt. Und die bösen Klimaleugner werden behaupten, in den vergangenen Wochen sei es doch ohnehin angenehm kühltemperaturversetzt gewesen.
Man sieht: Der Wortbestandteil -versetzt versetzt in die Lage, Widersprüche auf dialektische Weise in allgemeines Wohlgefallen aufzulösen. Dass einem das nicht schon früher (sprich: vergangenheitsversetzt) eingefallen ist!
Aber zurück zur saharaversetzten Temperatur dieses Sommers. Wann, so muss man entsetzt fragen, gedenkt sich die Politik endlich gegen diese Hitze einzusetzen? Live tut sie jedenfalls nichts, aber wenigstens zeitversetzt?
Irrtum: Politiker denken bekanntlich enorm langfristig und sind gedanklich immer schon bei der nächsten großen Herausforderung. Sie haben ihre meteorologische Verantwortung keineswegs im Dorotheum versetzt, sondern setzen schon jetzt ein Zeichen gegen die zweifellos spätestens im März einsetzende Kältewelle. Dazu ein paar Sätze:
Bundeskanzler Sebastian Kurz wird sich im Bedarfsfalle jedem frierenden Mitbürger für ein herzwärmendes Selfie zur Verfügung stellen. Überdies plant er die Schließung sämtlicher Tiefdruckrouten nach Österreich.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache treibt die 60-Grad-Woche voran und schlägt vor, die Zimmertemperatur von osteuropäischen Zuwanderern auf das Niveau in ihren Herkunftsländern zu senken. Finanzminister Hartwig Löger heizt die kalte Progression an. Und Innenminister Herbert Kickl beauftragt die berittene Polizei, die Verteilung von dampfenden Rossäpfeln an die Volksgemeinschaft zu prüfen.
Konterkariert wird die Wärmestrategie leider durch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Sie sorgt mit der Aussage für Empörung, dass man mit 150 Grad pro Monat, also fünf Grad pro Tag, leicht das Auslangen finde. Die Gewerkschaft droht in einer ersten Reaktion mit einem heißen Frühjahr.
Austropopper Wolfgang Ambros stellt in einem Interview fest, dass es in der FPÖ viele weiße Eisberge gebe, woraufhin die FPÖ-Zentrale ihn als aufgetauten Schneemann bezeichnet.
SPÖ-Geschäftsführer Max Lercher wirft „Eiskanzler“Kurz vor, Politik nur für seine Großspender von der Heizgeräte-Industrie zu machen. Peter Pilz kritisiert, dass dem Kälte-Untersuchungsausschuss nur geschwärzte Schneeberichte vorgelegt werden.
Die Salzburger Festspiele ändern aus aktuellem Anlass ihr Programm und bringen Frank Castorfs zwölfstündige Bearbeitung von Thomas Bernhards Roman „Frost“. Die Aufführung wird vom Publikum kühl aufgenommen.
Red Bull Salzburg gelingt mit einem umjubelten Sieg beim grönländischen Meister Eisik 09 der erstmalige Einzug in die Champions League. Und der ORF bringt ein live-zeitversetztes Streitgespräch zwischen General Winter und Väterchen Frost. – So weit unser heutiger Live-Beitrag zur dringend notwendigen Temperaturversetzung.