Seit Jahrzehnten wie ein Mitglied im Freundeskreis
Was Niki Lauda erlebt, bewirkt und auch erleidet, bewegt eine große Öffentlichkeit.
Ein Liter Treibstoff kostet umgerechnet rund 30 Cent. Bruno Kreisky zelebriert sein erstes volles Jahr als Bundeskanzler. Im ORF-Studio analysiert Niki Lauda am Tag eins nach dem Großen Preis von Österreich am 15. August 1971 bei Moderator Dr. Kurt Jeschko seine Formel-1-Premiere: „Ich musste nach fünf Runden schon an die Box fahren, weil das Auto derart untersteuerte, das heißt, über die Vorderachse wegschob, und ich eine zu hohe Reifentemperatur vorn bekam und die Reifen gewechselt werden mussten.“
Schon der junge Niki Lauda lässt die Leute vor den Fernsehapparaten mit einem technischen Fachbegriff wie „Untersteuern“nicht allein. Er fügt gleich „das heißt …“hinzu und erklärt knapp und verständlich, was das bedeutet. Diese im Internet bei YouTube abrufbare Szene dokumentiert: In jenen fernen Augusttagen gibt Niki Lauda sein Debüt als Formel-1-Fahrer – und auch als Erklärer der Nation.
„Das ist ganz einfach, man muss es nur logisch betrachten.“Mit solchen und ähnlichen Einleitungen fährt Lauda schon die halbe Ernte ein. Es muss ja logisch sein, was nun folgt. Sein „das ist natürlich absoluter Schwachsinn“gehört zum Standardrepertoire unzähliger Lauda-Parodisten. Wohl am besten bringt es Alex Kristan hin, bei dessen Abenden auch Lauda selbst hin und wieder aufkreuzt.
Bei (fast) allem, was er erlebt, bewirkt und auch erleidet, bindet Niki Lauda die Öffentlichkeit ein. Mit nur kurzen Unterbrechungen ist er seit 47 Jahren nicht nur im österreichischen Alltag präsent. Lauda, der Weltmeister. Lauda, der Mann, der von einer Sekunde auf die andere nicht mehr im Kreis fahren will. Lauda, der sein Comeback feiert. Lauda, der Familienmensch auf Ibiza, Lauda mit neuer Partnerin. Lauda, der Mann für immer neue Überraschungen und Hiobsbotschaften.
Er ist „der Niki“auch für alle, die nie mit ihm persönlich Kontakt hatten. Man spricht über ihn wie über einen Freund und sein Schicksal berührt, als ob es einen Verwandten getroffen hätte. „Hast gehört, der Niki …“– „Ja, der Niki, Wahnsinn …“
Die Rückkehr nach dem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring wird oft als Geburtsstunde des Mythos Lauda bezeichnet. Das mag stimmen, aber in Österreich ist Niki schon zuvor Nationalheiligtum. Formel-1Weltmeister werden, da gibt es nicht mehr viel Vergleichbares. Vielleicht Abfahrtsolympiasieger. In der Saison 1975 schafft es Lauda zum ersten Mal und lädt gegen Ende des Jahres in Salzburg zur Motorshow, die seinen Namen trägt. Am ersten Tag drängen sich 15.000 Besucher. Unter den Gästen: Stardirigent Herbert von Karajan. Die neue Nummer eins der Formel 1 bringt dem Maestro die hochkarätige Technik näher.
Zweieinhalb Monate vor dem Feuerunfall bangt die Nation auch schon um Laudas Gesundheit. Die Verletzungen nach einem Sturz von einem Traktor erweisen sich als schwer. Dem in der WM klar führenden Österreicher droht eine Zwangspause. Es ist der Salzburger Radioreporter Hans Klettner, der Lauda den Tipp gibt: „In Niederösterreich gibt es einen Heilmasseur, von ihm werden Wunderdinge erzählt.“
Der Masseur namens Willi Dungl macht Lauda fit. Es ist der Beginn einer wunderbaren Partnerschaft. Niki befolgt Ratschläge Dungls und wird zum Gesundheitsapostel. Er schwärmt von der Körndlkost – und die Getreidemühlen im Land sind ausverkauft.