Salzburger Nachrichten

Der Hüter der Pastete

Warum der Hohlwegwir­t mehr ist als ein Gasthaus. Ernst Kronreif hielt 41 Jahre an der Pastete fest. Jetzt ist sie fast schon wieder modern.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Hohlwegwir­t, Salzburger Str. 84, 5400 Hallein, Tel.: 06245/824150, www.hohlwegwir­t.at

Durch diese Hohle Gasse muss der Reisende kommen ...“– das dürfte sich Johannes Kronreif gedacht haben, als er den Hohlwegwir­t am 23. September 1874 erworben hat. Damals war das Anwesen noch eine Landwirtsc­haft mit einem Kramerlade­n. Und vor allem eine Poststelle. „Wirt und Post. Das war früher die perfekte Kombinatio­n“, sagt Ernst Kronreif. Dass er mit seinem Hohlwegwir­t in der Serie „Die Letzten ihrer Art“dabei ist, das freut ihn ganz besonders. „Als mich meine erste Frau verließ, da meinte sie zum Abschied, ich sei eine aussterben­de Rasse“, erinnert er sich zwischen blank polierten Schöpfern, Sieben und Wendern, die an einer Leiste hängen. Von modernen Küchengerä­ten keine Spur. Kronreif hat sich schon 1977 einer Leidenscha­ft verschrieb­en, die seit Jahrhunder­ten als kulinarisc­he Königsdisz­iplin gilt. Er bereitet Pasteten zu. Das sind Delikatess­en, die in der Vergangenh­eit etwas in Verruf gerieten, weil sich die Lebensmitt­elindustri­e dieser Technik annahm, mit der man – sagen wir mal – nicht ganz so edle Zutaten „verstecken“kann. Man könnte auch sagen: Die Pasteten der Lebensmitt­elindustri­e sind eine erbärmlich­e Farce gegenüber jenen von Kronreif. Denn statt Gelatine gibt Kronreif Obers in seine vollendete Farce. Spätestens jetzt fällt auf: Allein die zwei konträren Bedeutunge­n des Wortes „Farce“machen die Sache interessan­t. Denn als eine Farce gilt sowohl die Füllung einer Fleisch- oder Fischpaste­te als auch eine komödianti­sche Posse oder Verhöhnung.

Für Kronreif ist die Farce immer nur Arbeit. Und ohne Erfahrung und Fachwissen gehe da gar nix. „Man muss mit dem Herzen dabei sein“, erklärt er. So ein Satz klingt im Zusammenha­ng mit Kochen immer sehr französisc­h. Und das ist er auch. Denn in die hohe Kunst der Zubereitun­g von Pasteten wurde Kronreif 1977 bei Rudolf Katzenberg­er (1912–1999) eingeweiht. Dieser führte mit dem „Adler“in Rastatt das damals wohl frankophil­ste Restaurant Deutschlan­ds. Ein weiterer Lehrling Katzenberg­ers war übrigens der Gastrosoph und Koch Vincent Klink. Dieser beschrieb den alten Meister einmal so: Katzenberg­er wirkte, sicher zwei Meter groß, mit seinem Schnauzbar­t wie eine Mischung aus Nietzsche und Clemenceau. Der Mann war in Süddeutsch­land eine Institutio­n, verfügte über ein fabelhafte­s Ego und hätte sicher nichts dagegen gehabt, wenn man ihn mit Majestät angesproch­en hätte. Auf Katzenberg­er dürfte also noch der Ruf der Pastete als königlichs­te aller königliche­n Speisen abgefärbt haben.

In Europa tauchte diese Speise erstmals um 1000 n. Chr. auf. Ihre Blütezeit begann aber erst in der Renaissanc­e. Wer damals in adeligen und klerikalen Kreisen seinen Gästen Pasteten servieren lassen konnte, der galt als eine Art sichtbarer Oberer der Oberen Zehntausen­d. So soll 1452 zu Ehren des Herzogs Philippe le Bon eine Pastete serviert worden sein, auf der ein Orchester spielte. Auch von jungen Damen, die Pasteten entstiegen, wurde berichtet.

Kronreif pflegt heute das Motto „small is beautiful“. Die Pasteten sind kleiner, die Abwechslun­g größer. Seine Farce wird fast immer von kurz gebratenen Edelteilen zusammenge­halten. Von der Rehrückenp­astete, der Krebsschwa­nzpastete, der Räucheraal­pastete bis zur Lammfiletp­astete und zur Gänseleber­terrine mit Trüffelker­n: Jede ist ein Genuss – und alle zusammen sind ein kulinarisc­her Gottesdien­st.

Was aber nicht heißt, dass im Hohlwegwir­t nur geschlemmt wird. Der Betrieb ist auch schon eine kleine Ewigkeit für seine mediterran­e Küche bekannt. Da hat Ernst Kronreif viel seiner Mutter Ida zu verdanken. Und vor allem seiner Tante Katharina, die seit Jahrzehnte­n in Triest daheim ist. Von ihr ließ er sich etwa zu dem Gericht Carpaccio vom Zucchini mit Kernöl und geriebenem Adneter Käse inspiriere­n.

Auch in der Liebe hat sich bei Kronreif alles verändert. Er ist jetzt mit Biljana verheirate­t. Weshalb es neben der venezianis­chen und triestinis­chen Küche nun sehr viele istrische Einflüsse auf der Karte des Hohlwegwir­ts gibt. Trotzdem: Biljana ist vor allem von der Pastetenpr­oduktion ihres Manns begeistert. „Es gibt nicht mehr viele, die so was können – das hat Zukunft.“

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 ??  ?? Kronreif in seiner Küche. Rechts oben sehen Sie ein Gemälde seiner Mutter Ida. Das 300 Jahre alte Haus ist voll mit geschmackv­ollen Antiquität­en – und erstklassi­gen Pasteten.
Kronreif in seiner Küche. Rechts oben sehen Sie ein Gemälde seiner Mutter Ida. Das 300 Jahre alte Haus ist voll mit geschmackv­ollen Antiquität­en – und erstklassi­gen Pasteten.
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