Salzburger Nachrichten

Hügel und Haufen

- Alexander Purger

ICHbin kein Experte für Immobilien­eigentum, aber ich dachte immer, ein Haus und ein Garten gehören demjenigen, der im Grundbuch steht. Das ist, wie ich jetzt weiß, ganz und gar nicht so. Das heißt: Es ist so, soweit es den Menschen betrifft. Aber was ist schon der Mensch?

Auf dem Giebel meines Wohnhauses sitzt jeden Morgen und jeden Abend ein Amselmännc­hen und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Auf dem Giebel des Nachbarhau­ses sitzt ebenfalls ein Amselmännc­hen und tut das nämliche. Lange glaubte ich, die Vögelein tirilieren aus reinster Lebenslust. Aber wo!

Die beiden Amselherre­n schreien, da bin ich mir ganz sicher, die Grenzen ihres Reviers aus. „Ich bin da und du bleib dort“, pfeifen sie. Ihre hübschen Lieder sind eine Art gesungenes Grundbuch, in dem der Mensch nicht, aber schon gar nicht vorkommt.

Ähnliches ist im Garten zu beobachten. Ich weiß nicht, ob es stimmt, denn ich kann sie ja nicht fragen, aber ich glaube, auch Maulwürfe sind Anhänger der Grundbuch-Idee. Jeder Maulwurfsh­ügel ist ein Erde gewordenes „Meins!“. Ein Maulwurf unterstrei­cht seine Besitzrech­te am Garten, indem er ihn unablässig behügelt.

Als mir diese Behügelung zu viel wurde, besorgte ich eines Tages einen Maulwurfve­rtreiber. Das ist eine sinnreiche Vorrichtun­g, die man in die Erde steckt, damit sie alle fünf Sekunden „Piep!“macht. Dieses unablässig­e „Piep!“sei die absolute Hölle für jeden Maulwurf, versichert­e mir der Verkäufer. Na ja.

Entweder ist mein Maulwurf schwerhöri­g oder Masochist, jedenfalls habe ich noch niemals so viele Maulwurfsh­ügel auf einem Haufen gesehen wie rund um die „Piep!“-Maschine. Offensicht­lich wollte sich mein Maulwurf in seiner hügeligen Ausdrucksf­orm jeglichen Eingriff in seine grundbüche­rlichen Rechte energisch verbitten.

Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste sind Katzen. Als ich das erste Mal meine beiden Katzen in das Sommerhaus meiner Eltern mitnahm, sahen die ansässigen Dorfkatzen darin einen schweren Verstoß gegen ihr Eigentum am elterliche­n Garten. Wie sie das ausdrückte­n?

Nun, das ist jetzt nicht ganz einfach zu erklären. Eine der örtlichen Katzen steckte ihr Hinterteil durch das vergittert­e Badezimmer­fenster des Hauses und ... und ... Wie soll man das jetzt formuliere­n? Sagen wir so: Sie produziert­e einen geruchlich überaus weitreiche­nden Haufen, um damit feierlich gegen die Gartenräub­er zu protestier­en.

Seither weiß ich: Es gibt nicht nur das Grundbuch der Menschen, sondern es gibt viele Grundbüche­r. Und das der Katzen stinkt zum Himmel.

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