zahlt Wer wartet, drauf
Das ist der beste Schutz vor vielen unvorhersehbaren kleinen Katastrophen. Psychologen wissen, wie man Menschen zum Handeln bringt.
Brände, Überschwemmungen, Stürme, Dürre: Der Klimawandel wird künftig an Geschwindigkeit und Heftigkeit zunehmen. Wann die Folgen auftreten und wie schwerwiegend sie sind, lässt sich nicht exakt bestimmen. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit, da Wetterdaten sehr komplex sind und Tausende Varianten einer Prognose eintreten können. Die zweite große Unsicherheit ist der Mensch: Wie wir auf die Veränderungen reagieren, als Individuen und als Gemeinschaft, ist unwägbar. Derzeit herrscht jedenfalls allgemeine Unsicherheit. Forscher haben jetzt mittels eines psychologischen Tests herausgefunden, wie man Menschen dazu bringt, konkret zu handeln, anstatt – wie derzeit üblich – abzuwarten, was der Klimawandel noch alles mit sich bringt.
Interessanterweise ist es genau diese Unsicherheit, die Menschen dazu bewegen könnte, zu handeln. Das legen Ergebnisse von Computersimulationen von Forschern des Max-Planck-Instituts in Plön, der Universität Toronto und des GEOMAR-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel nahe. Ergebnis ihrer Tests: Menschen und Staaten müssen kooperieren, wollen sie die Folgen des Klimawandels zumindest mildern.
Ein schwieriges Unterfangen, wie die vielen Klimakonferenzen zeigen. Schließlich müssen Menschen auf unmittelbare Profite verzichten – und das für vermeintliche Vorteile in einer fernen Zukunft.
In ihrer Studie haben die Forscher mit Computersimulationen die geeignetsten Verhaltensstrategien für den Umgang mit wiederholt auftretenden negativen Ereignissen untersucht. Dies soll Hinweise darauf liefern, wie sich Individuen dazu bewegen lassen, die Kosten für Maßnahmen gegen solche nicht exakt vorhersagbaren kleineren Katastrophen aufzubringen.
In der Simulation erhalten Spieler einen virtuellen Geldbetrag, den sie im Verlauf von mehreren Spielrunden auf ein gemeinsames Konto einzahlen können. Das Konto steht für die Kosten, die Menschen für Klimaschutzmaßnahmen aufbringen müssen.
Im Spiel simulieren die Forscher die negativen Folgen der globalen Erwärmung, indem sie den Spielern zu beliebigen Zeitpunkten Geld abziehen, wenn sie nicht genügend Mittel für den gemeinsamen Topf bereitstellen.
Die Spielbedingungen spiegeln die vorausgesagte Entwicklung des Erdklimas wider. Die meisten Klimaforscher stimmen nämlich darin überein, dass nicht eine einzige große Katastrophe in einer fernen Zukunft droht, wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Vielmehr wird der Klimawandel kontinuierlich in vielen kleinen Schritten fortschreiten.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass man sich am effektivsten vor den Folgen des Klimawandels schützt, indem man sich möglichst frühzeitig an Maßnahmen zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes beteiligt. Auf diese Weise kann jeder Einzelne seine eigenen Verluste möglichst klein halten. Wer zu lange wartet, zahlt drauf“, sagt Arne Traulsen vom MaxPlanck-Institut für Evolutionsbiologie.
Jeder Spieler konnte durch eigene Beiträge verhindern, dass er und seine Mitspieler viel Geld verloren. „Unter diesen Bedingungen ist es für jeden Einzelnen vorteilhaft, möglichst vorausschauend auf das gemeinsame Konto einzuzahlen, denn keiner kann wissen, wann ihm ein Verlust droht. So sorgt jeder so früh wie möglich für die Zukunft vor – egal wie viel Geld ihm zur Verfügung steht“, erklärt Studienautorin Maria Abou Chakra die Reaktion der Spieler. Auch Teilnehmer, deren Vermögen kleiner ist als das ihrer Mitspieler, können unter Umständen von ihren Beiträgen profitieren.
Während sich in der Simulation alle Spieler bewusst waren, dass eine Katastrophe droht, nämlich ein Klimawandel, der alles verändert, ist das in der Realität offenbar noch nicht der Fall. „Es ist daher die wichtigste Maßnahme gegen den Klimawandel, die Menschen nicht nur über die langfristigen, sondern vor allem über die kurzfristigen Folgen des Klimawandels aufzuklären“, sagt Chakra.
Die Forscherin warnt: Die Information, dass ein bestimmter Küstenabschnitt in 50 Jahren im Meer versinken werde, könne die Bereitschaft, etwas dagegen zu unternehmen, sogar senken. Niemand wolle schon heute in Gegenmaßnahmen investieren, die in ferner Zukunft liegen. Als Politiker sollte man also besser in kurzfristige Ziele investieren, wie Hochwasserschutz sowie Vorkehrungen gegen Dürre und Hitze.