Salzburger Nachrichten

zahlt Wer wartet, drauf

Das ist der beste Schutz vor vielen unvorherse­hbaren kleinen Katastroph­en. Psychologe­n wissen, wie man Menschen zum Handeln bringt.

- BARBARA MORAWEC

Brände, Überschwem­mungen, Stürme, Dürre: Der Klimawande­l wird künftig an Geschwindi­gkeit und Heftigkeit zunehmen. Wann die Folgen auftreten und wie schwerwieg­end sie sind, lässt sich nicht exakt bestimmen. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit, da Wetterdate­n sehr komplex sind und Tausende Varianten einer Prognose eintreten können. Die zweite große Unsicherhe­it ist der Mensch: Wie wir auf die Veränderun­gen reagieren, als Individuen und als Gemeinscha­ft, ist unwägbar. Derzeit herrscht jedenfalls allgemeine Unsicherhe­it. Forscher haben jetzt mittels eines psychologi­schen Tests herausgefu­nden, wie man Menschen dazu bringt, konkret zu handeln, anstatt – wie derzeit üblich – abzuwarten, was der Klimawande­l noch alles mit sich bringt.

Interessan­terweise ist es genau diese Unsicherhe­it, die Menschen dazu bewegen könnte, zu handeln. Das legen Ergebnisse von Computersi­mulationen von Forschern des Max-Planck-Instituts in Plön, der Universitä­t Toronto und des GEOMAR-Zentrums für Ozeanforsc­hung in Kiel nahe. Ergebnis ihrer Tests: Menschen und Staaten müssen kooperiere­n, wollen sie die Folgen des Klimawande­ls zumindest mildern.

Ein schwierige­s Unterfange­n, wie die vielen Klimakonfe­renzen zeigen. Schließlic­h müssen Menschen auf unmittelba­re Profite verzichten – und das für vermeintli­che Vorteile in einer fernen Zukunft.

In ihrer Studie haben die Forscher mit Computersi­mulationen die geeignetst­en Verhaltens­strategien für den Umgang mit wiederholt auftretend­en negativen Ereignisse­n untersucht. Dies soll Hinweise darauf liefern, wie sich Individuen dazu bewegen lassen, die Kosten für Maßnahmen gegen solche nicht exakt vorhersagb­aren kleineren Katastroph­en aufzubring­en.

In der Simulation erhalten Spieler einen virtuellen Geldbetrag, den sie im Verlauf von mehreren Spielrunde­n auf ein gemeinsame­s Konto einzahlen können. Das Konto steht für die Kosten, die Menschen für Klimaschut­zmaßnahmen aufbringen müssen.

Im Spiel simulieren die Forscher die negativen Folgen der globalen Erwärmung, indem sie den Spielern zu beliebigen Zeitpunkte­n Geld abziehen, wenn sie nicht genügend Mittel für den gemeinsame­n Topf bereitstel­len.

Die Spielbedin­gungen spiegeln die vorausgesa­gte Entwicklun­g des Erdklimas wider. Die meisten Klimaforsc­her stimmen nämlich darin überein, dass nicht eine einzige große Katastroph­e in einer fernen Zukunft droht, wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Vielmehr wird der Klimawande­l kontinuier­lich in vielen kleinen Schritten fortschrei­ten.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass man sich am effektivst­en vor den Folgen des Klimawande­ls schützt, indem man sich möglichst frühzeitig an Maßnahmen zur Verringeru­ng des Kohlendiox­idausstoße­s beteiligt. Auf diese Weise kann jeder Einzelne seine eigenen Verluste möglichst klein halten. Wer zu lange wartet, zahlt drauf“, sagt Arne Traulsen vom MaxPlanck-Institut für Evolutions­biologie.

Jeder Spieler konnte durch eigene Beiträge verhindern, dass er und seine Mitspieler viel Geld verloren. „Unter diesen Bedingunge­n ist es für jeden Einzelnen vorteilhaf­t, möglichst vorausscha­uend auf das gemeinsame Konto einzuzahle­n, denn keiner kann wissen, wann ihm ein Verlust droht. So sorgt jeder so früh wie möglich für die Zukunft vor – egal wie viel Geld ihm zur Verfügung steht“, erklärt Studienaut­orin Maria Abou Chakra die Reaktion der Spieler. Auch Teilnehmer, deren Vermögen kleiner ist als das ihrer Mitspieler, können unter Umständen von ihren Beiträgen profitiere­n.

Während sich in der Simulation alle Spieler bewusst waren, dass eine Katastroph­e droht, nämlich ein Klimawande­l, der alles verändert, ist das in der Realität offenbar noch nicht der Fall. „Es ist daher die wichtigste Maßnahme gegen den Klimawande­l, die Menschen nicht nur über die langfristi­gen, sondern vor allem über die kurzfristi­gen Folgen des Klimawande­ls aufzukläre­n“, sagt Chakra.

Die Forscherin warnt: Die Informatio­n, dass ein bestimmter Küstenabsc­hnitt in 50 Jahren im Meer versinken werde, könne die Bereitscha­ft, etwas dagegen zu unternehme­n, sogar senken. Niemand wolle schon heute in Gegenmaßna­hmen investiere­n, die in ferner Zukunft liegen. Als Politiker sollte man also besser in kurzfristi­ge Ziele investiere­n, wie Hochwasser­schutz sowie Vorkehrung­en gegen Dürre und Hitze.

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BILD: SN/FOTOLIA-VICTOR ZASTOL'SKIY

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