Salzburger Nachrichten

Muss die Europäisch­e Union zu einem Machtfakto­r werden?

Das vereinte Europa droht zwischen bestehende­n und aufstreben­den Weltmächte­n erdrückt zu werden.

- ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Macht ist die Fähigkeit, einem anderen auch gegen dessen Willen ein bestimmtes Verhalten aufzuzwing­en. Staaten können Macht vor allem gegen schwächere Staaten oder Gruppen von Staaten ausüben. Umgekehrt kann sich gegen fremden Zwang durchsetze­n, wer ökonomisch, gesellscha­ftlich und auch militärisc­h einigermaß­en stabil ist. Dabei reicht es freilich nicht, nur eine der drei Säulen der Macht aufund auszubauen. Ohne die beiden anderen Standbeine gerät der Versuch, Macht auszuüben oder sich gegen einen mächtigen Gegenspiel­er zu behaupten, in Schieflage. Militärisc­he Hardpower is nicht effektiv ohne die Softpower von Wirtschaft, Handel und Diplomatie und umgekehrt. Und eine in sich instabile, weil autokratis­ch oder tyrannisch geführte Gesellscha­ft kann ökonomisch und militärisc­h noch so stark sein, sie wird immer bedenklich­e Schwächen haben.

Russland ist zwar militärisc­h auf Expansions­kurs und lässt sowohl in der Ukraine wie in Syrien die Muskeln spielen. Doch hat es Wladimir Putin nicht geschafft, dem Land innenpolit­ische Stabilität durch die Zustimmung der Regierten zu geben – dort herrscht eher Furcht vor dem Herrscher als Vertrauen in ihn. China drängt sich wirtschaft­lich weltweit in den Vordergrun­d und besetzt in Fernost auch militärisc­h wichtige Positionen.

Die USA schließlic­h haben unter Donald Trump zu einer offenen Rücksichts­losigkeit gefunden, die das Land für Europa zu einem unsicheren Partner macht. Der Washington­er Isolationi­smus könnte auch dazu führen, dass die USA Bündnisse zum Nachteil Europas schließen.

Nur zögerlich beginnt indes in Europa eine Debatte darüber, wie denn die Europäisch­e Union Sicherheit und Stabilität für die Zukunft garantiere­n könnte. Je weniger man sich auf die alte Schutzmach­t USA verlassen kann, desto deutlicher werden die Schwächen des vereinten Europas in der Welt.

In dieser Debatte tauchen nun Schlagwört­er auf wie die Remilitari­sierung des Kontinents. Nach dem Ende des Kalten Kriegs dachte man rundum, militärisc­he Macht sei nicht mehr so bedeutsam. Die Wehrpflich­t wurde weitum abgeschaff­t. Schweden hat angesichts russischer Drohungen diese Entwicklun­g umgekehrt, in Deutschlan­d diskutiert man eine neue Dienstpfli­cht für alle als gesellscha­ftlichen Kitt (und wohl auch als Möglichkei­t, die Reihen der Bundeswehr aufzufülle­n).

In manchen Zirkeln schließt die Debatte auch die Frage einer nuklearen Bewaffnung Deutschlan­ds oder auch einer EU-Armee ein, um weiterhin bei den Mächtigste­n mitreden zu dürfen. Auch wenn einen der Gedanke an eine solche Entwicklun­g schockiert, dürfen wir uns der Diskussion darüber nicht verweigern. Sie ist notwendig, und sei es nur, um Alternativ­en dazu zu finden.

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