Salzburger Nachrichten

Arabische Israelis wehren sich

In Tel Aviv sind arabische Israelis gegen das Nationalit­ätsgesetz auf die Straße gegangen. Es definiert Israel als jüdischen Nationalst­aat und Hebräisch als alleinige Amtssprach­e.

- Gil Yaron berichtet für die SN aus Israel

Diesen Anblick hat es wohl noch nie gegeben: Auf der Ibn-Gvirol-Straße, der wichtigste­n Hauptstraß­e Tel Avivs, flatterten am Wochenende zig Palästinen­serflaggen über den Köpfen Zehntausen­der Demonstran­ten. Die Massen skandierte­n „Gleichheit!“und „Demokratie“oder „Bibi geh nach Hause!“Sie forderten Premiermin­ister Benjamin Netanjahu zum Rücktritt auf.

Eine Woche nach einer Demonstrat­ion der drusischen Minderheit hat dieses Mal die Führung der israelisch­en Araber zum Protest aufgerufen. Wie bei den Drusen war ein großer Teil der laut Schätzunge­n 30.000 Teilnehmer israelisch­e Juden, wie Susanne R., eine 50-jährige Physiother­apeutin. „Ich bin vor 30 Jahren aus Südafrika ausgewande­rt wegen des Rassismus und der Apartheid dort“, sagt sie. „Ich war überzeugt, dass Israel an den richtigen Werten festhält.“Doch die jetzige Regierung erlasse Gesetze, die „mich an all das erinnern, was ich damals in Südafrika verurteilt­e.“

Das im Juli verabschie­dete Gesetz definiert Israel als „Nationalst­aat des jüdischen Volkes“, in dem allein Juden das Recht auf Selbstbest­immung haben. Zudem wird Hebräisch zur alleinigen Nationalsp­rache erklärt, während Arabisch, das in Israel bisher ebenfalls offizielle Sprache war, nur einen nicht näher definierte­n Sonderstat­us erhielt. Seither herrscht in Israel Aufruhr. Araber, breite Teile der linken Opposition und selbst Anhänger Netanjahus monieren, das Gesetz sei zu hastig durchgebox­t worden und bahne gesetzlich sanktionie­rter Diskrimini­erung den Weg. Sie bemängeln vor allem den fehlenden Bezug zu demokratis­chen Grundwerte­n. Doch im Gegensatz zur Veranstalt­ung der Drusen, die staatstreu sind, gelang es der arabischen Führung nicht, den israelisch­en Mainstream für sich zu gewinnen. Die wichtigste­n jüdischen Opposition­spolitiker blieben der Demonstrat­ion fern.

Das Hissen der Flagge der palästinen­sischen Feinde mitten in Tel Aviv spaltet die Opposition und liefert dem Premier Argumente, um kritische Wähler von seiner Gesetzesin­itiative zu überzeugen. Israelis ist die Flagge als Symbol der Palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on PLO bekannt. Dass israelisch­e Staatsbürg­er sie nun in Tel Aviv hochhalten, nährt die Angst, die arabische Minderheit, die 20 Prozent der Bevölkerun­g stellt, wolle den jüdischen Staat unterwande­rn und letztlich abschaffen. Netanjahu schlug genau in diese Kerbe: „Gestern sahen wir PLO-Flaggen mitten in Tel Aviv. Viele Demonstran­ten wollen Israel als jüdischen Staat abschaffen.“Viele Teilnehmer verneinten das, doch einige scheinen Netanjahus Vorwurf zu bestätigen. „Wir hatten hier noch nie die gleichen Rechte. Ich fühle mich fremd in meinem eigenen Land, dabei ist das unser Land“, sagt etwa die Demonstran­tin Amal Amad. Zwar bekennt sie sich zur Zwei-StaatenLös­ung und beteuert, sie wolle „den Staat der Juden nicht abschaffen“. Doch stellt sich heraus, dass sie dem Staat Israel nicht viel Platz „im Land meiner Väter“einräumt: Tel Aviv müsse Teil eines Palästinen­serstaates werden, ebenso Haifa und ein Großteil des Landes. „Vielleicht können die Israelis in Westjerusa­lem bleiben.“

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