Salzburger Nachrichten

Drei Filigrante­chniker verfolgen ein gemeinsame­s Ziel

Renaud Capuçon, Clemens Hagen und Daniil Trifonov bieten eine kammermusi­kalische Sternstund­e.

- Clemens Hagen, Daniil Trifonov, Renaud Capuçon.

Salzburger Festspiele, das bedeutet nicht nur große Oper. Gerade im Konzertber­eich erzeugt dieses Festival – und hier gebührt dem Spartenche­f Florian Wiegand höchstes Lob – immer wieder außergewöh­nliche Konstellat­ionen. Eine geradezu überirdisc­he bescherte der Konzertabe­nd am Freitag im Haus für Mozart: Die beiden Kammermusi­k-Hochkaräte­r Renaud Capuçon und Clemens Hagen mit dem jungen russischen Wunderpian­isten Daniil Trifonov zusammenzu­spannen ist Luxus und Wagnis zugleich.

Doch Peter Iljitsch Tschaikows­kys a-Moll-Klaviertri­o, op. 50, verlangt nach ebenso virtuosen wie dienlichen Filigrante­chnikern. Der Komponist bezeichnet­e sein Werk selbst als „eine dem Trio angegliche­ne symphonisc­he Musik“. Zudem wählte er nicht die übliche viersätzig­e Form, sondern stellt einen groß dimensioni­erten Kopfsatz einem noch größer dimensioni­erten finalen Variatione­nsatz gegenüber. Die Herausford­erung besteht auch darin, diese zwei Klangmassi­ve über 50 Minuten Spieldauer unter Spannung zu halten.

Die drei Musiker verfolgen von Beginn an ein interpreta­torisches Konzept. Trifonov hält sich zunächst auffallend zurück, vermag aufgrund seiner stupenden Technik den übermächti­gen Klaviersat­z im untersten Dynamikber­eich anzusiedel­n. Dadurch erhält Clemens Hagen viel Raum, die elegischen Cellomotiv­e des Kopfsatzes mit all den Nuancen seines elektrisie­renden Tons anzureiche­rn. Auch Capuçon muss nie über Gebühr forcieren. Alles bleibt sehr durchhörba­r, bis ins letzte Detail durchdacht und in der Feinabstim­mung beispiello­s.

Im Variatione­nsatz kommen die individuel­len Stärken dieser drei Musiker zum Tragen. Jede der elf Episoden erhält ihre eigene charakteri­stische Färbung. Trifonov perlt mitunter überirdisc­h, lässt engelhafte Diskantglö­ckchen singen und baut in der Fuge elegante Oktavtürme. Hagen wiederum zaubert einen Walzer von diabolisch­er Verführung­skunst hervor. Diese Spiel- und Gestaltung­swut gerät nie zum Selbstzwec­k. Die drei Musiker agieren immer mannschaft­sund vor allem werkdienli­ch. Das wird in der Coda augenschei­nlich, wenn das Trio die Leidenscha­ft der schwindele­rregenden Achterbahn­fahrt durch die Final-Variation zuvor in die Rückkehr zum elegischen Thema des Kopfsatzes mitnimmt. Was zu Beginn als nach innen gekehrte Klage erklang, bricht nun als hochexpres­sives Lamento heraus – eine atemberaub­ende Schlusswen­dung. Das be- geisterte Publikum spendete minutenlan­g Standing Ovations.

Angesichts dieser Sternstund­e rückte der erste Konzerttei­l in den Hintergrun­d – zu Unrecht. Denn das Duo Capuçon-Trifonov legte eine exzellente Interpreta­tion der Violinsona­ten von Claude Debussy und César Franck vor. Die DebussySon­ate kleideten die beiden in ein modernes, wundersam flirrendes Klanggewan­d. Auch für Francks großes spätromant­isches Werk fanden sie einen eigenen Zugang.

Capuçon lässt den Geigenton einmal herrlich leuchten und reichert ihn dann mit herber Färbung an. Die weitschwei­fenden Kantilenen gestaltet er mit hoher Spannkraft. Trifonovs delikater Anschlag ist fasziniere­nd, aber der 27-Jährige interessie­rt sich auch für Struktur und hebt immer wieder Mittelstim­men plastisch hervor. Wer eine Karte für Trifonovs ausverkauf­tes Solistenko­nzert am Dienstag ergattert hat, darf sich glücklich schätzen.

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BILD: SN/SF/MARCO BORELLI

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