Ein Wunderkind stellt die Laufwelt auf den Kopf
Die Langstrecke, das war stets die Domäne der älteren Herrschaften. Bei Olympia 2016 siegte der damals 33-jährige Mo Farah über 5000 und 10.000 Meter. Es braucht Erfahrung, um in den oft von Taktik geprägten Rennen am Ende die Nase vorn zu haben. Oder doch nicht? Nach der Europameisterschaft von Berlin müssen die Experten wohl ihre Theorien über Bord werfen. Innerhalb von 24 Stunden siegte der Norweger Jakob Ingebrigtsen über 1500 und 5000 Meter. Der schlaksige Skandinavier ist 17 Jahre und elf Monate alt und damit der jüngste LeichtathletikEuropameister der Geschichte. Die gute Ausdauer liegt in der Familie. Jakobs Brüder Filip (25) und Henrik (27) haben den 1500Meter-EM-Titel 2012 bzw. 2016 ebenfalls schon gewonnen. In Berlin war das Brüder-Trio aus Sandnes geschlossen am Start. Filip wurde Vierter; Titelverteidiger Henrik, diesmal Zwölfter und tags darauf Silbergewinner, sagte über seinen kleinen Bruder: „Er ist so routiniert gelaufen, als wäre er zehn Jahre älter als alle anderen.“Und fügte hinzu: „Ich war dabei, als er geboren wurde, sonst würde ich nicht glauben, dass er erst 17 ist.“
Österreichs 5000-Meter-Teilnehmer Andreas Vojta, selbst 25 Sekunden zurück, sagte: „Das sind andere Dimensionen, da kann man sich nur verneigen.“International ist auch schon Skepsis an den Leistungen aufgekommen. Vater Gjert, der seine drei Buben trainiert, war selbst nie Athlet, sondern Fischer und Bauer. „Wir haben nie akzeptiert, dass es Grenzen gibt. Warum sollen norwegische Jungs nicht so gut sein wie ein Afrikaner?“, fragte er. Das Lauf-Wunderkind selbst findet es „einfach verrückt, dass ich mit 17 Jahren schon Doppel-Europameister bin“. Da darf dann auch einmal der jugendliche Leichtsinn durchschlagen: Im 5000-Meter-Rennen versuchte Jakob bei höchstem Tempo ein „High Five“mit Bruder Henrik.