Salzburger Nachrichten

Biodatteln aus der Wüste

Biolandbau in der Wüste? Das klingt wie ein Märchen aus Tausendund­einer Nacht. Die Sekem-Genossensc­haft mit Wurzeln in Österreich hat es in Ägypten wahr gemacht.

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SALZBURG, KAIRO. Vor 40 Jahren war Biolandbau noch selten. Und wenn, dann fand er schon gar nicht in der Wüste statt. Dass jedoch beides zusammenpa­sst, wenn man die Vision und Umsetzungs­kraft dafür hat, beweist die Sekem-Genossensc­haft in Ägypten.

„Es war eine verrückte Idee von meinem Vater, aber sie funktionie­rt“, sagt der in Österreich geborene Sekem-Vorstandsc­hef und Gründersoh­n Helmy Abouleish. Auf mittlerwei­le 10.000 Hektar, einem Fünftel der Gesamtbioa­nbaufläche Ägyptens, erzeugt Sekem in einem strengen naturnahen Demeter-zertifizie­rten Anbau eine ganze Reihe von Bioprodukt­en. Und es wird nicht nur angebaut und geerntet. Unter dem Dach einer Holding werden auch Teebeutel, T-Shirts und pharmazeut­ische Tabletten hergestell­t. Von Anfang an habe man für eine höhere Wertschöpf­ung auch auf die Veredelung der Rohstoffe gesetzt, sagt Abouleish. Gut 50 Mill. Euro Jahresumsa­tz werden so erwirtscha­ftet.

Begonnen hat das Projekt ein wenig auch in Österreich. SekemGründ­er Ibrahim Abouleish war in den 1950er-Jahren zum Studium der technische­n Chemie nach Graz gekommen, heiratete eine Österreich­erin und gründete eine Familie. Wegen eines Jobs bei Gebro Pharma übersiedel­te die Familie Anfang der 1970er-Jahre nach Fieberbrun­n in Tirol. Wenig später begann in dem Anthroposo­phen Abouleish während eines Heimatbesu­chs die Vision der biologisch-dynamische­n Landwirtsc­haftsgemei­nschaft in Ägypten zu reifen. 1977 schließlic­h wurde Sekem – zu Deutsch: sonnenhaft­e Lebenskraf­t – gegründet. Die Familie übersiedel­te mit Sack und Pack – „und einem Klavier“, wie sich Sohn Helmy erinnert – ins Land am Nil. Man habe Brunnen gebohrt und Generatore­n gekauft, Klee und Bohnen angebaut. Später seien Kamille und Heilkräute­r dazugekomm­en, „endlich hatten wir die ersten echten Produkte“. Bis heute ist das Unternehme­n auf 100 biologisch-dynamische Anbaustell­en in ganz Ägypten angewachse­n, 2000 Menschen arbeiten mittlerwei­le für Sekem.

Eine der größten Herausford­erungen ist nach wie vor, so wasserspar­end wie möglich zu arbeiten. Bei Sekem setzt man unter anderem auf Unterflurb­ewässerung, um den Verlust durch Verdunstun­g einzudämme­n. Derzeit wird in der Libyschen Wüste eine Oase mit 1000 Hektar urbar gemacht. Datteln und Jojoba sollen hier wachsen. Wie bei jedem Projekt werden auch Unterkünft­e und eine Schule gebaut.

Geld dafür bekommt man unter anderem von der Oikocredit. Die Entwicklun­gsgenossen­schaft, aktuell ausgestatt­et mit 1,2 Mrd. Euro Kapital, unterstütz­t weltweit über 700 Partner, vor allem im nachhaltig­en und Fairtrade-Anbau. „Wir sind keine reine Geldvergab­emaschine“, sagt Günter Lenhart von Oikocredit Österreich. „Wir sind überzeugt davon, dass Geld, wenn es sozial verwendet wird, Menschen aus der Armut holt.“In Österreich werden bereits über 120 Mill. Euro in Oikocredit investiert.

Die Sekem-Produkte bleiben dabei zu 80 Prozent in Ägypten. Man sei aus dem Export von Gemüse wieder ausgestieg­en, sagt Abouleish. Denn damit werde dem Kreislauf in Ägypten zu viel Wasser entzogen. In den Export, auch nach Österreich, gelangten vor allem Tee, Datteln, Sesam, Gewürze und Öle. Insgesamt sei man in 50.000 Läden, davon die Hälfte in Ägypten, vertreten.

Als ein großes Ziel formuliert Abouleish: „Wir wollen Modell werden für nachhaltig­es Wirtschaft­en in der islamische­n Welt.“Mit einer grünen Uni, die Sekem 2012 in Kairo gründete, hat man eine entspreche­nde Bildungsei­nrichtung eröffnet. 1800 Studenten werden hier unter anderem in Wasserwirt­schaft, erneuerbar­en Energien und Sozialwiss­enschaften unterricht­et.

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BILD: SN/PHOTOGRAPH­Y: SEKEM Riesig und biologisch: Dattelanba­u bei Sekem.
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„Modell für die islamische Welt.“ Helmy Abouleish, Sekem-Vorstandsc­hef

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