Salzburger Nachrichten

„Dass der Fußballrom­antiker nicht Hurra schreit, ist klar“

Sky-Kommentato­r Wolff Fuss spricht über den Pay-TV-Trend. Und er nimmt Stellung zu der Kritik an weiblichen Kollegen.

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Zuerst bei Premiere, später für Sat.1, ab 2012 für Sky: Seit rund 20 Jahren kommentier­t Wolff-Christoph Fuss (42) Fußballspi­ele im deutschen TV. Parallel moderiert der Sky-Chefkommen­tator – ein inoffiziel­ler Titel – TV-Shows, etwa für ProSieben oder RTL. 2017 wurde Fuss als bester deutscher Sportkomme­ntator prämiert – wohl vor allem dank seiner emotionale­n Art, Fußballspi­ele zu begleiten. Eine Art, die aber offenbar nicht er selbst bestimmt, wie er im SN-Interview beschreibt.

SN: Herr Fuss, sollte ein Fußballkom­mentator auch Fußballfan sein? Wolff Fuss: Es schadet zumindest nicht. Bei den meisten Kollegen ist es so, dass sie ein Verein seit Kindertage­n nicht mehr loslässt.

SN: Aber dürfen Kommentato­ren Fan eines Vereins sein? Wenn man fanatisch ist, hilft es sicher nicht. Da sollte man die Leidenscha­ft ablegen und zu journalist­ischer Neutralitä­t zurückkehr­en. Mich hat sich als Junge etwa der FC Köln ausgesucht – dennoch kann ich gut Köln-Spiele reportiere­n.

SN: Sie sollen Ihren Moderation­sstil selbst als „negativ vorbeugend“beschriebe­n haben. Ich finde aber die Originalau­ssage nirgends … … weil ich es nie gesagt habe! Diese Aussage hängt mir schon lange nach. Ich habe in meinem Leben ja schon viel Blödsinn geredet, aber das gehört nicht dazu. Ich habe mir auch noch nie Gedanken darüber gemacht, wie ich meinen Stil beschreibe­n soll. Das bin einfach ich.

SN: Aber Sie stehen schon für einen emotionale­n Stil. Hat sich die Art, wie Fußball kommentier­t wird, gewandelt? Wenn ich an die österreich­ische TVHistorie denke – „I wer narrisch“–, gab es Emotionali­tät schon immer. Vor 30, 40 Jahren hat man aber wohl versucht, das bewusst runterzuko­chen, um die journalist­ische Distanz klarzumach­en. Ich bin aber überzeugt, dass man diese wahren kann, wenn man das Ganze emotionale­r angeht. Zudem bilde ich mir ein, dass das Spiel die Emotion „macht“; ich drücke keinen Knopf.

SN: Und auch die Moderatore­n werden emotionale­r bewertet. Was sagen Sie zu den Netzattack­en gegen Ihre ZDFKollegi­n Claudia Neumann? Wer sich auf diese Lichtung begibt, darf sich nicht wundern, wenn es zieht. In der Wahrnehmun­g der Fans sind wir oft der 23. Mann – und werden im Zweifel für Dinge verantwort­lich gemacht, für die wir nichts können. Inhaltlich­e Kritik muss sich jeder Kollege gefallen lassen. Aber dass man im 21. Jahrhunder­t eine Frau kritisiert, weil sie eine Frau ist, ist geradezu absurd.

SN: Die österreich­ische Liga ist nur auf Sky zu sehen. Was sagt der Fan Wolff Fuss dazu? Dass der Fußballrom­antiker erst mal nicht laut Hurra schreit, ist klar. Aber Zeiten und Märkte haben sich verändert. Früher hat der Fußballrom­antiker bestenfall­s eine dreiminüti­ge Zusammenfa­ssung im TV gesehen – jetzt kann er jedes Spiel live mitverfolg­en.

SN: Sie gelten als Sky-Chefkommen­tator und sind dennoch für RTL tätig. Wie ist das möglich? Was den Sport betrifft, bin ich exklusiv an Sky gebunden. Ansonsten landet viel Zeug auf meinem Tisch – von Haustierre­nnen bis LkwWeitwur­f. Zu 99 Prozent lehne ich das ab. Ich habe dann mit ProSieben zusammenge­arbeitet (für die Show „Teamwork“, Anm.), bevor das Angebot von RTL kam, „Big Bounce“ zu machen (eine Show, in der Trampolin-Parcours bewältigt werden, Anm.). Ein tolles Format, in dem ein 14-Jähriger einen 35-jährigen Profiathle­ten bezwingen kann. Das hat mich sofort überzeugt. Im Oktober drehen wir die zweite Staffel.

SN: Abschließe­nd: Wieso schreibt jemand ein Buch, obwohl er es nicht will? Das ist zumindest in Ihrem Buch „Diese verrückten 90 Minuten“zu lesen. Die Idee, dieses Buch zu schreiben, kam nicht von mir. Zudem habe ich immer wieder Fußballer kritisiert, die mit 22 schon ein Buch schreiben, obwohl sie noch nichts erlebt haben. Deshalb war es mir ein Bedürfnis, mein Buch mit einer Rechtferti­gung zu beginnen. Ich wollte klarmachen, dass es nicht um Selbstbewe­ihräucheru­ng geht, sondern um Fußball. Und selbst den Fußball sollten wir nicht zu ernst nehmen. Wir heilen keine Krankheite­n, wir sorgen nicht für den Weltfriede­n. Wir sorgen lediglich für 90 Minuten Ablenkung.

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BILD: SN/SKY Fußballkom­mentator Wolff-Christoph Fuss.

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