1984 Kampf um die Au ändert das Land
Würden sich Tausende Bürger heute in kalten Winternächten an Bäume ketten, um ein Wasserkraftwerk zu verhindern? Im Dezember 1984 geschah das – und das hat nicht nur den Umgang der Regierung mit dem Umweltschutz verändert.
Vor 34 Jahren spielte sich ganz im Osten Österreichs eine Auseinandersetzung ab, die es vorher und nachher so beim Thema Umweltschutz nicht gab. Bürger gingen nicht nur auf die Straße, sondern bis zu 5000 Menschen stellten sich als Besetzer in den Donauauen bei Hainburg gegen die Staatsmacht in Form von 4000 Exekutivbeamten und gewerkschaftlich organisierten Bauarbeitern – und das nicht an lauen Sommerabenden, sondern in der eiskalten Adventzeit. Es ging darum, ob die letzten unberührten Donauauen einem Kraftwerk geopfert werden.
Gendarmerie und Polizei setzten Schlagstöcke und Hunde ein, um die kurz zuvor bewilligten Rodungsarbeiten zu ermöglichen. Nach einem Friedensappell von Kardinal Franz König verkündete Bundeskanzler Fred Sinowatz am 21. Dezember einen Weihnachtsfrieden – das war der Anfang vom Ende des Projekts Hainburg, auch Höchstgerichte halfen mit. Der Bürgerprotest war erfolgreich – aber es dauerte noch viele Jahre, bis die geforderten Nationalparks wie Donauauen, Kalkalpen usw. verwirklicht waren.
Andreas Zankl aus Kuchl hatte damals gerade an der HTL Hallein maturiert. „Ich wusste, das ist der Zeitpunkt für zivilen Ungehorsam“sagt der Tennengauer, der heute als Techniker für Laborinstrumente bei den Biowissenschaften an der Universität Salzburg arbeitet. Der junge Mann fuhr „mit einem gscheiten Schlafsack und ein bisserl Werkzeug“Richtung Hainburg. Er blieb zwei Wochen in der Au. Zankl war im „Lager 2A“. Er erinnert sich noch an einen Lehrer aus der Steiermark, der aus einer Lkw-Plane einen ersten Unterstand baute. Es habe aber auch Wichtigtuer mit Funkgeräten gegeben. Die lokale Bevölkerung sei „total hilfsbereit“gewesen, er habe sogar ein Paar warme Handschuhe geschenkt bekommen. „Die habe ich heute noch“, erzählt Zankl. Eines aber habe er nicht verstanden: dass sich viele Aubesetzer über das harte Vorgehen der Exekutive beschwerten. „Was haben die Leute erwartet?“Es sei klar gewesen, dass es Schläge geben würde: „Ich habe das in Kauf genommen.“ Seit dem elften Lebensjahr ist Zankl Bootfahrer, Gewässerökologie ist ihm sehr wichtig. Gerhard Heilingbrunner war auf beiden Seiten tätig, zuerst im Protestlager und dann für die Regierung – im Büro der späteren Umweltministerin Marilies Flemming war er ab 1987 federführend an der Umsetzung der Forderungen des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens beteiligt. Als Alternativreferent der Österreichischen Hochschülerschaft organisierte Heilingbrunner maßgeblich das Volksbegehren im Kampf gegen das Kraftwerk Hainburg. „Dank Günther Nenning sind wir sehr strategisch vorgegangen“, lobt er den 2006 verstorbenen Publizisten. Den Auftakt der Unterschriftensammlung bildete die „Pressekonferenz der Tiere“am 7. Mai 1984, unter anderem mit Nenning als Auhirsch, Othmar Karas (heute ÖVP-EU-Abgeordneter) als Kormoran und der späteren Grünen-Chefin Freda Meissner-Blau als Laufkäfer.
„Wir brauchten 10.000 von Notaren beglaubigte Unterschriften, das war eine hohe Hürde“, sagt Heilingbrunner, der bis 2014 Präsident des Umweltdachverbands war. Seit dem Jahr 2000 betreibt der 60-Jährige das Café Restaurant Oktogon am Himmel auf dem Wiener Kahlenberg und ist Weinbauer.
„Es ging damals um das Grundsatzproblem: Wie geht die Regierung mit dem Thema Umweltschutz um?“, erklärt Heilingbrunner. Für ihn ist Hainburg „ein Symbol für die versteinerte Arbeit der Regierung, die am Gängelband der Sozialpartner hing“. Bei den Verhandlungen mit dem Aukomitee hätten die Minister oft bei den Gewerkschaftern und Wirtschaftskämmerern nachgefragt, welche Vereinbarungen noch tragbar seien, schildert er. Innenminister Karl Blecha habe auf eine frühe Einreichung des Volksbegehrens gedrängt, doch bis Ende November schafften die Aktivisten schon 60.000 Unterschriften. Die Eintragungswoche war dann im März 1985, fast 354.000 Menschen unterschrieben.
Der Kampf war entschieden. Die Regierung hatte bereits davor reagiert. Im Jänner 1985 gab es erstmals eine Regierungsklausur zu Umweltfragen. Das Umweltbundesamt wurde gegründet, eine Ökologiekommission anstatt der Donaukraftwerke mit der Planung für das Augebiet beauftragt.
Manche hätten aber nichts daraus gelernt, sagt Heilingbrunner. Ein Beispiel dafür sei das Projekt dritte Piste beim Flughafen WienSchwechat . So habe die Regierung nach einem Gerichtsurteil, das den Bau wegen der negativen Auswirkungen auf den Klimawandel untersagte, mit einem Gesetzesentwurf für bevorzugte Infrastruktur reagiert. „Das ist gefährlich“, warnt Heilingbrunner. Er ist sich aber sicher, „das wird vor den Höchstgerichten nicht halten“. NGOs könnten heute nicht einfach draußen gehalten werden.
„Sozialpartnerschaft hat sich seit Hainburg nicht mehr erholt.“Gerhard Heilingbrunner, Umweltaktivist, Winzer, Gastronom