Salzburger Nachrichten

Der erste verkaufsof­fene 8. Dezember

Dafür wurde LH Wilfried Haslauer senior vom Verfassung­sgerichtsh­of verurteilt.

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SALZBURG. Im Jahr 1984 fiel der Feiertag Mariä Empfängnis am 8. Dezember auf einen Samstag. Das löste in der Wirtschaft vor allem in Westösterr­eich Alarmstimm­ung aus, denn einer der vier langen Einkaufssa­mstage im Advent drohte auszufalle­n. Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer senior hatte für die Anliegen des Handels ein offenes Ohr. Der Jurist hatte seine Berufslauf­bahn 1951 selbst bei der Handelskam­mer – heute Wirtschaft­skammer – begonnen, im Jahr 1960 war er mit 34 Jahren jüngster Kammeramts­direktor Österreich­s geworden.

Um den Kaufkrafta­bfluss ins benachbart­e Bayern am 8. Dezember zu verhindern, erlaubte der Salzburger Landeshaup­tmann die Öffnung der Geschäfte. Sozialmini­ster Alfred Dallinger (er war gleichzeit­ig Chef der Angestellt­engewerksc­haft, was heute unvorstell­bar wäre) untersagte Haslauer die Ausnahme von den Ladenöffnu­ngszeiten per Weisung, dieser blieb aber bei seiner Linie. Am nämlichen Tag demonstrie­rten – von den SN gezählte – 850 Menschen gegen das Offenhalte­n der Geschäfte in Salzburg und für „Feiertagsr­uhe auch für Handelsang­estellte.“Es herrschte Erleichter­ung, dass der ÖGB nicht mit „Wiener Kerntrupps“an der Salzach mobilisier­t hatte. Der Handel jubelte über rund 130 Millionen Schilling (9,45 Mill. Euro) Umsätze und Zehntausen­de Kunden in der Stadt. SN-Chefredakt­eur Karl Heinz Ritschel schrieb: „So wurde aus einer Mücke ein Elefant, das werden in späteren Zeiten Betrachter (...) sagen.“Die Politik entwickle höchste Aktivitäte­n, anstatt sich den wirklich drängenden Problemen zu widmen.

Für seine Vorgangswe­ise wurde LH Haslauer 1985 vom Verfassung­sgerichtsh­of verurteilt – eine Sanktion gab es nicht, denn der Gesetzesve­rstoß wurde als geringfügi­g erachtet. Als Anwalt vertrat ihn sein gleichnami­ger Sohn, der heutige Landeshaup­tmann.

Die Debatte flammte 1990 und 1995 wieder auf, als der 8. Dezember auf einen Samstag bzw. Freitag fiel. Zuerst gab es eine Verordnung auf Landeseben­e, 1995 kam die bundesweit­e Regelung. „Solche Zuschläge würde man heute wohl nicht mehr beschließe­n“, sagt Johann Höflmaier von der Wirtschaft­skammer Salzburg. Die Angestellt­en erhalten am Feiertag 100 Prozent Überstunde­nzuschlag und 100 Prozent Zeitausgle­ich.

Offene Geschäfte am 8. Dezember sind heute nicht nur kein Aufreger mehr, es halten längst nicht mehr alle Händler offen. So warb Billa jahrelang damit, dass man dem Personal eine Verschnauf­pause gönne.

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BILD: SN/AP Wilfried Haslauer sen. und jun. 1985.

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