Unabhängig zu sein heißt auch, öffentliche Kritik aushalten zu können
Es ist gut, dass Notenbanken unabhängig sind. Aber sie sind nicht sakrosankt.
Wenn sich Notenbanker aus aller Welt an diesem Wochenende wie jedes Jahr in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming einfinden, fehlt es ihnen nicht an Gesprächsstoff. Die Weltwirtschaft befindet sich in einer kritischen Phase, die Hochkonjunktur läuft aus, die großen Wirtschaftsblöcke liegen miteinander im Streit über den Freihandel und zwischen den USA und Europa geht die Zinsschere immer weiter auseinander. Insofern ist das Thema des Symposiums gut gewählt, geht es doch um „geänderte Marktstrukturen und die Auswirkungen auf die Geldpolitik“.
Man kann davon ausgehen, dass abseits des offiziellen Programms auch über geänderte Strukturen in der Politik und deren Einfluss auf Notenbanken diskutiert wird. Nicht nur weil Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), und Japans Notenbankchef Haruhiko Kuroda das Treffen diesmal auslassen, richtet sich die Aufmerksamkeit auf Jerome Powell. Ist der US-Notenbank-Chef doch zuletzt ins Visier von US-Präsident Donald Trump geraten, der ihn erst vor zehn Monaten zum Notenbankchef ernannt hatte. Dieser Tage richtete Trump Powell öffentlich aus, was er von dessen Geldpolitik hält. „Ich bin nicht davon begeistert, dass er die Zinsen erhöht. Nein, ich bin nicht begeistert“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Er hätte sich von der Notenbank Unterstützung im Zollstreit erwartet, sagte der US-Präsident. „Wir werden gewinnen. Aber in dieser Zeit sollte mir die Fed etwas helfen.“
Trumps Aussagen ließen Sorgen über die Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik aufkommen. Dass sich die Regierung öffentlich zur Geldpolitik äußert, ist unüblich. Noch jeder Präsident und Finanzminister hat hinter verschlossenen Türen mit Notenbankern gesprochen, aber nach außen hin still gehalten. Zurückhaltung ist freilich Trumps Sache nicht. Man kann es auch so sehen: Falls er tatsächlich wollte, dass die US-Notenbank beim Anheben der Zinsen moderater vorginge, hat Trump zielsicher das Falsche getan. Die aktuelle und seine Aussage im Wahlkampf, „die USA können nicht pleitegehen, man kann Geld drucken“, sind höchstens eine Bestätigung dafür, dass es grundsätzlich richtig ist, Regierenden den Zugriff auf die Notenpresse zu entziehen. Aber es braucht mehr als ein paar Sätze von Trump, um Notenbanken ins Wanken zu bringen. Dass Powell in direkte Konfrontation mit ihm geht, ist so unwahrscheinlich wie die Erwartung, dass Trump seinen Twitter-Account schließt. Die Kritik wird an Powell und Kollegen abperlen. Das zeigt die trockene, aber unmissverständliche Reaktion von Robert Kaplan, Chef der Federal Reserve von Dallas. Trumps Aussagen beeinflussten die Entscheidungen der Notenbanker nicht, er erwarte in den nächsten neun bis zwölf Monaten unverändert drei bis vier Zinserhöhungen.
Man sollte sich auch in Erinnerung rufen, dass die Unabhängigkeit von Notenbanken eine relativ junge Errungenschaft ist. So ist die 1694 gegründete Bank of England erst seit 20 Jahren unabhängig. Erst seit 1997 kann sie eigenständig den Leitzins fixieren. Auch Japans Notenbank erlangte zu dieser Zeit mehr Unabhängigkeit, ebenso wie sie zum Fundament der EZB wurde. Es war eine Entwicklung, die ihre Ursache in den weltweit hohen Inflationsraten in den 1970er- und 1980er-Jahren hatte.
Man sollte aber auch nicht vergessen, dass gerade im vergangenen Jahrzehnt da und dort Zweifel aufkamen, ob die Unabhängigkeit der Zentralbanken nicht sogar zu weit geht. Sehr oft wurde die Frage laut, wie es sein könne, dass nicht gewählte Technokraten durch ihre ultralockere Geldpolitik mehr oder weniger im Alleingang über das wirtschaftliche Schicksal von Staaten und ihrer Bürger entscheiden. Und die vielen unverhohlenen Aufforderungen an EZB-Chef Draghi, die Zinsen zu erhöhen, haben die Zurufer auch schon verdrängt.
Mehr Gefahr als von seinen flapsigen Sagern über Geld und Zinsen geht von Trumps Wirtschafts- und Handelspolitik aus. Die könnte dazu führen, dass sich das Konjunkturklima abkühlt und es an den Finanzmärkten rumpelt. Das würde Unternehmen, Anleger und arbeitende Menschen treffen. Die sind Kapriolen des Mannes im Weißen Haus weitgehend schutzlos ausgeliefert, während die Notenbank gegen Angriffe gut geschützt ist.