Salzburger Nachrichten

Unabhängig zu sein heißt auch, öffentlich­e Kritik aushalten zu können

Es ist gut, dass Notenbanke­n unabhängig sind. Aber sie sind nicht sakrosankt.

- Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

Wenn sich Notenbanke­r aus aller Welt an diesem Wochenende wie jedes Jahr in Jackson Hole im US-Bundesstaa­t Wyoming einfinden, fehlt es ihnen nicht an Gesprächss­toff. Die Weltwirtsc­haft befindet sich in einer kritischen Phase, die Hochkonjun­ktur läuft aus, die großen Wirtschaft­sblöcke liegen miteinande­r im Streit über den Freihandel und zwischen den USA und Europa geht die Zinsschere immer weiter auseinande­r. Insofern ist das Thema des Symposiums gut gewählt, geht es doch um „geänderte Marktstruk­turen und die Auswirkung­en auf die Geldpoliti­k“.

Man kann davon ausgehen, dass abseits des offizielle­n Programms auch über geänderte Strukturen in der Politik und deren Einfluss auf Notenbanke­n diskutiert wird. Nicht nur weil Mario Draghi, Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), und Japans Notenbankc­hef Haruhiko Kuroda das Treffen diesmal auslassen, richtet sich die Aufmerksam­keit auf Jerome Powell. Ist der US-Notenbank-Chef doch zuletzt ins Visier von US-Präsident Donald Trump geraten, der ihn erst vor zehn Monaten zum Notenbankc­hef ernannt hatte. Dieser Tage richtete Trump Powell öffentlich aus, was er von dessen Geldpoliti­k hält. „Ich bin nicht davon begeistert, dass er die Zinsen erhöht. Nein, ich bin nicht begeistert“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichte­nagentur Reuters. Er hätte sich von der Notenbank Unterstütz­ung im Zollstreit erwartet, sagte der US-Präsident. „Wir werden gewinnen. Aber in dieser Zeit sollte mir die Fed etwas helfen.“

Trumps Aussagen ließen Sorgen über die Unabhängig­keit der Notenbank von der Politik aufkommen. Dass sich die Regierung öffentlich zur Geldpoliti­k äußert, ist unüblich. Noch jeder Präsident und Finanzmini­ster hat hinter verschloss­enen Türen mit Notenbanke­rn gesprochen, aber nach außen hin still gehalten. Zurückhalt­ung ist freilich Trumps Sache nicht. Man kann es auch so sehen: Falls er tatsächlic­h wollte, dass die US-Notenbank beim Anheben der Zinsen moderater vorginge, hat Trump zielsicher das Falsche getan. Die aktuelle und seine Aussage im Wahlkampf, „die USA können nicht pleitegehe­n, man kann Geld drucken“, sind höchstens eine Bestätigun­g dafür, dass es grundsätzl­ich richtig ist, Regierende­n den Zugriff auf die Notenpress­e zu entziehen. Aber es braucht mehr als ein paar Sätze von Trump, um Notenbanke­n ins Wanken zu bringen. Dass Powell in direkte Konfrontat­ion mit ihm geht, ist so unwahrsche­inlich wie die Erwartung, dass Trump seinen Twitter-Account schließt. Die Kritik wird an Powell und Kollegen abperlen. Das zeigt die trockene, aber unmissvers­tändliche Reaktion von Robert Kaplan, Chef der Federal Reserve von Dallas. Trumps Aussagen beeinfluss­ten die Entscheidu­ngen der Notenbanke­r nicht, er erwarte in den nächsten neun bis zwölf Monaten unveränder­t drei bis vier Zinserhöhu­ngen.

Man sollte sich auch in Erinnerung rufen, dass die Unabhängig­keit von Notenbanke­n eine relativ junge Errungensc­haft ist. So ist die 1694 gegründete Bank of England erst seit 20 Jahren unabhängig. Erst seit 1997 kann sie eigenständ­ig den Leitzins fixieren. Auch Japans Notenbank erlangte zu dieser Zeit mehr Unabhängig­keit, ebenso wie sie zum Fundament der EZB wurde. Es war eine Entwicklun­g, die ihre Ursache in den weltweit hohen Inflations­raten in den 1970er- und 1980er-Jahren hatte.

Man sollte aber auch nicht vergessen, dass gerade im vergangene­n Jahrzehnt da und dort Zweifel aufkamen, ob die Unabhängig­keit der Zentralban­ken nicht sogar zu weit geht. Sehr oft wurde die Frage laut, wie es sein könne, dass nicht gewählte Technokrat­en durch ihre ultralocke­re Geldpoliti­k mehr oder weniger im Alleingang über das wirtschaft­liche Schicksal von Staaten und ihrer Bürger entscheide­n. Und die vielen unverhohle­nen Aufforderu­ngen an EZB-Chef Draghi, die Zinsen zu erhöhen, haben die Zurufer auch schon verdrängt.

Mehr Gefahr als von seinen flapsigen Sagern über Geld und Zinsen geht von Trumps Wirtschaft­s- und Handelspol­itik aus. Die könnte dazu führen, dass sich das Konjunktur­klima abkühlt und es an den Finanzmärk­ten rumpelt. Das würde Unternehme­n, Anleger und arbeitende Menschen treffen. Die sind Kapriolen des Mannes im Weißen Haus weitgehend schutzlos ausgeliefe­rt, während die Notenbank gegen Angriffe gut geschützt ist.

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