Salzburger Nachrichten

Die Reise zum Großkhan

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bern und Tourismusm­anagern wird es Dávila eher nicht bringen.

Dabei hat er eines nicht bedacht: Reisen bildet. Das zeigt folgender bekannte Dialog zweier Touristen in Rom. „Können Sie mir sagen, wo die LaokoonGru­ppe ist?“– „Nein, hier ist die Neckermann-Gruppe. Aber fragen Sie mal bei dem Bus da drüben nach.“

Auch Erlebnisbe­richte berühmter Reisender vermitteln bedeutende­s Wissen aus aller Welt. So verdanken wir etwa Marco Polo einen spannenden Bericht darüber, wie der Großkhan der Tataren im 13. Jahrhunder­t zu speisen pflegte. Und zwar hielt er Festmähler für 40.000 Gäste ab, thronte auf einem Podest weit über allen Mitessern, und wenn er sich zu trinken anschickte, erklang Musik von unzähligen Instrument­en. Sobald der oberste Tatar dann seinen Becher hob, hatten sich alle Gäste ehrfurchts­voll auf die Knie zu werfen.

Spuren dieses von Marco Polo überliefer­ten Tataren-Zeremoniel­ls lassen sich bekanntlic­h bis heute bei Hochzeiten in der Steiermark feststelle­n.

Ein anderer berühmter Reisender war der französisc­he Schriftste­ller Michel de Montaigne, der ein Tagebuch über seine Europareis­e im 16. Jahrhunder­t hinterlass­en hat. Darin schildert er unter anderem etwas, das auch heute auf größtes Interesse stößt, nämlich Grenzkontr­ollen. Eine besondere Form davon hatte Montaigne zufolge die deutsche Stadt Augsburg entwickelt, um sich vor unerwünsch­ten Gästen zu schützen – den „Augsburger Einlass“.

Der Ankommende musste am Stadttor läuten, der Pförtner öffnete mittels eines Mechanismu­s das Tor, der Fremde gelangte in einen verschloss­enen Raum. Dort musste er dem auf einem Turm stehenden Pförtner Rang und Name zurufen, woraufhin sich ein Tor zu einem zweiten Raum öffnete. Dort ließ ein anderer Pförtner eine Bronzescha­le herunter, in die der Fremde das Sperrgeld (für Berittene zwei Batzen, für Fußgänger einen Batzen) legen musste.

War das Geld zu wenig, ließ der Pförtner den Fremden die ganze Nacht in dem verschloss­enen Raum schmoren. Dann durfte er wieder gehen. – Laut Montaigne schickte die englische Königin extra einen Botschafte­r nach Augsburg, um diese sinnreiche Einrichtun­g zu studieren. Tatsächlic­h braucht sie keinen Vergleich mit unseren heutigen Ankeranlan­deverteilu­ngsplattfo­rmzentren zu scheuen, oder?

Der berühmtest­e Reisende von allen war Johann Wolfgang von Goethe, der mit seiner „Italienisc­hen Reise“das Reisebuch schlechthi­n schrieb. Über die Politik in Italien notierte er:

„Denn man verdient wenig Dank von den Menschen, wenn man ihr inneres Bedürfnis erhöhen, ihnen eine große Idee geben, ihnen das Herrliche eines wahren, edlen Daseins zum Gefühl bringen will. Aber wenn man die Vögel belügt, Märchen erzählt, von Tag zu Tag sie verschlech­tert, da ist man ihr Mann, und darum gefällt sich die neuere Zeit in so viel Abgeschmac­ktem.“

Geschriebe­n 1786 in Vicenza. Heute ist das ja alles ganz anders.

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