Zeitenwende ist vollzogen
Als vor knapp 40 Jahren Papst Johannes Paul II. irischen Boden betrat, wurde er wie ein Superstar gefeiert. 1,25 Millionen Menschen nahmen an der Open-Air-Messe im Dubliner Phoenix Park teil. Es war ein erzkatholisches Irland, in dem Scheidung, Verhütung und Homosexualität als illegal galten und das Schulsystem fast zur Gänze von der katholischen Kirche kontrolliert wurde.
Als Papst Franziskus am Wochenende auf der grünen Insel landete, traf er auf ein anderes Land. Sein Empfang war von gemischten Gefühlen begleitet. Zu viel ist in jenen vier Jahrzehnten passiert. Nicht nur, dass heute die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt ist und das Abtreibungsverbot gelockert wurde. Die katholische Kirche hat an Autorität und Glaubwürdigkeit verloren, nachdem immer neue Skandale um sexuellen Missbrauch und Gewalt in kirchlichen Einrichtungen die Insel erschütterten.
Nun versuchte Papst Franziskus nachzuholen, was zu lang versäumt wurde. Er verurteilte die Skandale und deren Vertuschung, suchte den Dialog mit Opfern, bat um Vergebung.
Doch es dürfte zu spät für eine Versöhnung sein. Die Zeitenwende ist längst vollzogen. Für jene, die so lang gelitten haben, reichen Entschuldigungen und Solidaritätsbekundungen nicht aus. Sie fordern notwendige Reformen und dass Würdenträger, die Täter gedeckt haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Der Besuch des Papstes offenbarte nicht nur, wie weit die Iren mittlerweile gekommen sind, sondern vor allem den langen Weg, den die katholische Kirche noch vor sich hat.