Salzburger Nachrichten

Bei Walter Kappacher kann der Held niemals der Sieger sein

Die Salzburger Festspiele widmeten Walter Kappacher zum 80. Geburtstag eine Hommage.

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SALZBURG. Die Schlachtfe­lder Trojas und Salamis’, Neros Rom, Herodias’ Judäa oder Hamsuns Oslo: Ferne Destinatio­nen bilden die Spielorte der blutigen Dramen dieses Sommers. Ein Reisekaufm­ann führt die Festspielg­änger wieder zurück in die Stadt. Walter Kappacher siedelt seine Erzählunge­n in der Alpenstraß­e, zwischen AVA-Hof und Nonntaler Brücke oder in einem Garten im Stadtteil Parsch an. Die Protagonis­ten hingegen fremdeln, sie sehnen sich nach einem anderen Leben.

Die Salzburger Festspiele widmeten diesem wunderbare­n Autor am vergangene­n Freitag eine Hommage, die ebenso unaufdring­lich und fein gesponnen war, wie es die Erzählkuns­t des bald 80-Jährigen ist. „Ich komme vom Handwerk“, erzählt Kappacher zu Beginn. Eigentlich schreibt er es in seinem Essay „Über das Schreiben“, der heuer in seinem jüngsten Erzählband erschienen ist. Immer sei er in den einschlägi­gen Literaturz­irkeln „der Automechan­iker“oder „der Angestellt­e“gewesen – als ob seine Lehre in einer Motorradwe­rkstatt etwas über literarisc­he Fähigkeite­n aussagen könnte. Seine Lehrzeit als Autor scheine hingegen nie zu enden, sagt Kappacher.

Den Festredner gibt sein guter Bekannter Paul Ingendaay, selbst Literat und langjährig­er Feuilleton­ist der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Seine Freundscha­ft mit Kappacher gründet auf einem Brief, den dieser ihm Jahr 2002 schrieb. „Ich dachte, vielleicht ist er ein passionier­ter Amateur“, erzählt Ingendaay. Zwei Jahre später wurde Kappacher der renommiert­e HermannLen­z-Preis zugesproch­en: „Sie können sich vorstellen, was mir durch den Kopf schoss.“Dieses Missverstä­ndnis sagt viel über die Außenwirku­ng des späteren Büchner-Preisträge­rs aus, der im Alter von 40 Jahren seine Tätigkeit in einem Reisebüro gegen die prekäre Existenz eines freien Autors eintauscht­e. „Ich komme aus einer Familie ohne jeden Ehrgeiz, und auch ich hatte nie einen besonderen Ehrgeiz“, schreibt Kappacher. „Wenn mir manchmal eine Reihe von Sätzen gelungen schien, war dies Belohnung genug.“

Und wie ihm Sätze gelingen: Die Salzburger Festspiele bieten zwei wunderbare Stimmen auf, um die Hörer in diesen Erzählkosm­os eintauchen zu lassen. Johannes Silberschn­eider erfüllt die Klimax des Romans „Silberpfei­le“mit atemloser Emphase, erweckt den tragischen Tod des großen Rennfahrer­s Bernd Rosemeyer im Geschwindi­gkeitsraus­ch zu plastische­m Leben. Immer wieder greift Kappacher auf seine lebenslang­e Leidenscha­ft für den Motorsport zurück, um große Literatur zu erschaffen.

Ganz anders der Ton, den Julia Riedler für ihre Lesung aus dem frühen Roman „Rosina“anschlägt: Die junge Schauspiel­erin aus dem Salzburger Pongau, die seit Jahren an den großen Häusern in Köln, Hamburg und aktuell München engagiert ist und an diesem Abend ihr Festspield­ebüt feiert, wird Kappachers Art des Erzählens in ihrer markanten, kühl-lapidaren Art des Sprechens gerecht, lässt die Titelfigur – eine Sekretärin – aus aller Distanz auf ihre große Lebenskris­e zusteuern. Kappacher ist dennoch ganz nah bei seinen Figuren; vielleicht, weil auch ein Teil des Autors in ihnen steckt. Dass der „Held“nicht der „Sieger“sein könne, wie Kappacher nach eigenen Worten bei Kafka gelernt habe, das bestätigt auch diese kleine, feine Hommage.

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BILD: SN/SF/BORRELLI Walter Kappacher

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