Wo Hagen draufsteht, ist auch Hagen drin
SALZBURG. Er wusste genau, was er haben wollte: Keine langweiligen Musikbeamten, die Dienst nach Vorschrift machen, keine Aufführung seines Streichquartetts – mit dem Titel „Kreutzersonate“–, bei der „das Grauen nicht erschrecken“und „die Leidenschaft nicht lodern würde“, sondern eine Performance mit Musikern, die sich die Seele aus dem Leib spielen sollten.
Hat er, der Komponist Leoš Janáček, vorausgeahnt, dass irgendwann einmal das Hagen Quartett diese Musik im Salzburger Mozarteum spielen würde?
Jenes Ensemble, das zu den Fixpunkten der Festspiele gehört und eine Position innehat, die es sich hart erarbeitet hat: Seit 1981 spielen die „Hagens“– mit nur einem Wechsel, bei der zweiten Geige – zusammen. Das hört man einfach. Kaum ein anderes Quartett könnte solch spielerische Risiken eingehen.
Die Musiker unterrichten und geben ihr Wissen in internationalen Meisterkursen weiter. Und sie spielen so, wie Leoš Janáček sich seine Interpreten gewünscht hat: mit kompromisslosem Einsatz und vollem Risiko.
Das Hagen Quartett stellt ein selten gespieltes Werk des 20. Jahrhunderts an den Anfang: Witold Lutosławskis Streichquartett, das – 1964 entstanden – den Komponisten als Modernisten und Experimentator vorführt, der die einzelnen Stimmen als quasi autonome Subjekte behandelt. Mit einem einsamen Solo der ersten Geige beginnt es. Sie weist den anderen Instrumenten den Weg. Nur zögernd kommt die Kommunikation zwischen den vier Stimmen in Gang, nimmt aber bald so heftige Pizzikato-Formen an, dass dem Primgeiger eine Saite reißt und das Konzert nach kurzer Unterbrechung fortgesetzt werden kann, um dann nach einem furiosen Glissando irgendwo im Nichts zu verdämmern.
Leoš Janáček hätte, lebte er noch, den Saitenunfall gewiss als gutes Omen für die Einsatzbereitschaft der Musiker gewertet. Dicht und kraftvoll hebt diese „Kreutzersonate“an, die mit den kratzigen Einwürfen der nicht melodieführenden Stimmen ihre leidenschaftliche Fortsetzung findet. Für alle Sätze des Werks ist unisono ein „con moto“vorgeschrieben, bis das Werk in tolstoihafter Anspielung mit einer lapidaren Schlusssequenz endet.
Und als hätte sich Janáčeks Interpretationswunsch in eine selbsterfüllende Prophezeiung verwandelt, beginnt auch Schuberts „Der Tod und das Mädchen“unglaublich wild und rasch, kraftvoll, risikoschwanger, und höchst intensiv im Zusammenspiel. Was hier im Besonderen auffällt, ist die unauffällige Basisarbeit, die der zweite Geiger (Rainer Schmidt) leistet, dessen Ton nur an wenigen Stellen an die exponiert hörbare Oberfläche dringt, aber immer präsent ist.
Die vier Musiker meisterten auch das Tempo des letzten Satzes so souverän und fulminant im vorgeschriebenen Tempo („Prestissimo“), dass sich das Publikum eine Zugabe erzwang.