Lob der Erinnerung: die Festspieldokumente 2018
Dass die Quellen des Festspielarchivs nicht mehr so reich sprudeln wie in der Blütezeit der Wiedererweckung einer glorreichen Vergangenheit: wen wundert’s. Schließlich hat Gottfried Kraus über Jahrzehnte das Beste und Schönste aus der Geschichte der Salzburger Festspiele schon gehoben zur „Bewahrung des Unwiederholbaren“. Und dennoch hat er auch heuer noch etwas Besonderes gefunden: Karajans vor allem szenisch wegen ihrer bunten, folkloristischen Realistik umstrittene „Carmen“aus dem Sommer 1967, mit Grace Bumbry, Jon Vickers, Mirella Freni und Justino Diaz schon nach damaligen Maßstäben international besetzt.
Schön, dass man sich nicht nur hier auch über die Ästhetik des Klangbildes (nicht opéra comique, vielmehr üppige, glanzvolle „große Oper“) streiten darf – wenngleich die Aufnahme als Zeitzeugnis ihren unbestrittenen Wert hat. Auch die zweite Box des Jahrgangs 2018, ebenfalls in bewährter Art bei Orfeo publiziert, fordert heraus. Kraus’ Nachfolger in der Edition, Hannes Eichmann, hat „Il ritorno di Tobia“, das große unbekannte Oratorium von Joseph Haydn, in der Aufführung durch das Zürcher Orchester „La Scintilla“und den flammenden Haydn-Anwalt Nikolaus Harnoncourt publiziert. Der Abend vom 19. August 2013 war von Werks wegen nicht gerade leicht zugänglich, die Rarität jetzt aber zum detaillierten Nachhören zu besitzen, hat Reiz.
Sie ist indes auf den schnellen Blick genauso wenig marktgängig, aber für Sammler empfehlenswert, wie der ungewöhnliche (und lukullische) Liederabend vom 25. August 1974, an dem Edith Mathis, Brigitte Fassbaender, Peter Schreier und Walter Berry, begleitet von Erik Werba und Paul Schilhawsky, Schumanns Spanisches Liederspiel, op. 74, und die Liebeslieder-Walzer, op. 52, von Brahms zum Fest der Liedkunst werden ließen.
Neben den hauseigen produzierten Dokumenten des Young Singers Project 2017 und des Conductors Award Preisträgerkonzerts (Aziz Shokhakimov leitet Prokofieffs 5. Symphonie) gibt es noch eine DVD: Bergs „Wozzeck“in der Inszenierung von William Kentridge, mit Matthias Goerne und Asmik Grigorian (harmonia mundi). Womit auch schon das erste Jahr der Intendanz von Markus Hinterhäuser ruhmvolle „Geschichte“ist.