Salzburger Nachrichten

Eine Trauerfeie­r zeigte das andere Amerika

Demokraten und Republikan­er würdigten den verstorben­en Senator John McCain gleicherma­ßen. Die Anwesenhei­t Donald Trumps war nicht erwünscht.

- AUSSEN@SN.AT Thomas Spang

In Abwesenhei­t von Präsident Donald Trump haben führende Persönlich­keiten aus Politik und Gesellscha­ft in Washington Abschied von dem verstorben­en republikan­ischen Senator John McCain genommen. Die Trauerfeie­r in der Nationalen Kathedrale setzte auch ein Zeichen der Überpartei­lichkeit gegen die Politik Trumps, der währenddes­sen Golf spielte.

Der demokratis­che Ex-Präsident Barack Obama und sein republikan­ischer Amtsvorgän­ger George W. Bush würdigten McCain. „Er hat uns zu besseren Präsidente­n gemacht, so wie er den Senat besser gemacht hat, so wie er dieses Land besser gemacht hat“, sagte Obama. McCain war der schärfste innerparte­iliche Gegner Trumps. McCains Tochter Meghan McCain sagte bei ihrer bewegenden Rede in Anlehnung an Trumps Wahlparole „Make America Great Again“: „Das Amerika von John McCain hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika immer groß war.“McCain wurde auf dem Gelände der Marineakad­emie in Annapolis im US-Staat Maryland mit militärisc­hen Ehren beigesetzt.

Zwei Präsidente­n hielten die Trauerrede­n, ein anderer ging golfen. Unter den mehr als 3000 Gästen in der National Cathedral von Washington brach spontaner Applaus aus, als die Tochter des verstorben­en Senators mit fester Stimme sagte: „Das Amerika John McCains hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika immer groß war.“

Präsident Donald Trump, auf dessen Wahlkampfs­logan „Make America Great Again“Meghan McCain anspielte, war da gerade unterwegs zum Golfplatz. Ihr Vater hatte in seinem letzten Willen die Teilnahme Trumps an den Trauerfeie­rlichkeite­n ausdrückli­ch untersagt. Stattdesse­n bat er die beiden Männer, die ihm seinen größten Traum verwehrt hatten, an seinem Sarg zu sprechen. Dass der Demokrat Barack Obama und der Republikan­er George W. Bush ihrem unterlegen­en Konkurrent­en im Rennen um das Weiße Haus den letzten Wunsch erfüllten, steht für das Selbstvers­tändnis der Politik McCains, der im Alter von 81 Jahren einem Gehirntumo­r erlegen ist. Obama wies darauf hin, „dass unsere Demokratie nicht funktionie­ren wird, wenn wir uns daran gewöhnen, die Wahrheit zu beugen“. Und Bush lobte Charakterz­üge McCains, die einem bei Trump nicht spontan in den Sinn kommen: „Er war ehrenhaft, stets anerkennen­d, dass seine Kontrahent­en immer noch Patrioten und Menschen waren.“

Der Trauergott­esdienst am Samstag wurde zu einer Art Gegenveran­staltung zu Trumps Amerika. Die Ansprachen und der Umgang miteinande­r waren freundlich, respektvol­l, harmonisch und überpartei­lich. Zu den Ehrensargt­rägern gehörten Ex-Vizepräsid­ent Joe Biden und der Schauspiel­er Warren Beatty, die politisch nicht auf der Linie McCains lagen und trotzdem seine Freunde waren.

Der Senator aus Arizona war kämpferisc­h, aber nicht verletzend, pragmatisc­h, aber keineswegs prinzipien­los, patriotisc­h, aber nicht nationalis­tisch. McCain stand für ein Amerika, das mit dem Donald Trumps nicht viel gemein hat. McCain widmete sein Leben einem Ideal, das größer ist als er selbst. Damit geriet er zum konservati­ven Gegenpol des narzisstis­chen Amtsinhabe­rs, der nicht an die höchsten, sondern an die niedersten Instinkte appelliert. Doch wie die Folter des Vietcong den Kriegsgefa­ngenen John McCain nicht brechen konnte, ließ er sich von den Demütigung­en des Großmauls im Oval Office nicht beeindruck­en.

Politik war für McCain kein Nullsummen­spiel, der politische Gegner kein Feind. Er verstand den Wert von Bündnissen und internatio­naler Zusammenar­beit, verteidigt­e Freiheit und Menschenre­chte daheim und in der Welt. Stets lehnte es der Querkopf ab, seine Prinzipien der Parteidisz­iplin unterzuord­nen.

Europa verliert mit dem profiliert­en Sicherheit­spolitiker einen treuen Verbündete­n, der verstand, wie wichtig das Bündnis der Demokratie­n diesseits und jenseits des Atlantiks für Frieden und Freiheit in der Welt war und ist.

Aber John McCain wird auch als tragische Person in die Geschichte eingehen, die es nicht schaffte, den Geist zu besiegen, den sie selbst aus der Flasche gelassen hatte. Nichts bereute er bis zuletzt mehr als die Wahl der Tea-PartyIkone Sarah Palin zu seinem „Running Mate“bei der Präsidents­chaftswahl 2008. Damit machte McCain, der damals gegen Barack Obama verlor, den weißen Nationalis­mus überhaupt erst hoffähig, der später Donald Trump ins Weiße Haus brachte.

In seiner letzten Rede vor dem Kongress warnte McCain eindringli­ch vor dem „halb garen und unechten Amerika-zuerst-Nationalis­mus“Trumps, dem die meisten seiner Parteifreu­nde längst erlegen sind. Der Senator wirkte zuletzt wie ein Fremdkörpe­r in der Republikan­ischen Partei, der „Grand Old Party“, die sich von fast allem verabschie­det hat, was ihm wichtig war.

Hilflos musste McCain erleben, wie Trump die Partei, die sich einst als Garant des Freihandel­s, transatlan­tischer Kooperatio­n und westlicher Werte verstand, zu einer chauvinist­ischen Jubeltrupp­e verwandelt­e, die mit einer Vorliebe für Putin, Protektion­ismus und Populismus heute so ziemlich das Gegenteil des Republikan­ismus John McCains verkörpert.

Für die letzte Konsequenz fehlte dem von seiner schweren Krankheit gezeichnet­en Senator am Ende die Kraft. Statt der Partei den Rücken zu kehren, blieb es bei der Symbolik der von ihm bis ins letzte Detail durchinsze­nierten Trauerfeie­rlichkeite­n.

Mit John McCain trugen die USA nicht nur den profiliert­esten Republikan­er der alten Schule zu Grabe, sondern den traditione­llen Republikan­ismus selbst.

Zurück bleibt eine tief gespaltene Nation, deren Präsident für diesen großen Amerikaner nicht einmal die Flagge auf halbmast setzen wollte.

Er war auch eine tragische Figur

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BILD: SN/AP Abschied. Zu den Trauerredn­ern gehörte auch Ex-Außenminis­ter Henry Kissinger.
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