Eine Trauerfeier zeigte das andere Amerika
Demokraten und Republikaner würdigten den verstorbenen Senator John McCain gleichermaßen. Die Anwesenheit Donald Trumps war nicht erwünscht.
In Abwesenheit von Präsident Donald Trump haben führende Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft in Washington Abschied von dem verstorbenen republikanischen Senator John McCain genommen. Die Trauerfeier in der Nationalen Kathedrale setzte auch ein Zeichen der Überparteilichkeit gegen die Politik Trumps, der währenddessen Golf spielte.
Der demokratische Ex-Präsident Barack Obama und sein republikanischer Amtsvorgänger George W. Bush würdigten McCain. „Er hat uns zu besseren Präsidenten gemacht, so wie er den Senat besser gemacht hat, so wie er dieses Land besser gemacht hat“, sagte Obama. McCain war der schärfste innerparteiliche Gegner Trumps. McCains Tochter Meghan McCain sagte bei ihrer bewegenden Rede in Anlehnung an Trumps Wahlparole „Make America Great Again“: „Das Amerika von John McCain hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika immer groß war.“McCain wurde auf dem Gelände der Marineakademie in Annapolis im US-Staat Maryland mit militärischen Ehren beigesetzt.
Zwei Präsidenten hielten die Trauerreden, ein anderer ging golfen. Unter den mehr als 3000 Gästen in der National Cathedral von Washington brach spontaner Applaus aus, als die Tochter des verstorbenen Senators mit fester Stimme sagte: „Das Amerika John McCains hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika immer groß war.“
Präsident Donald Trump, auf dessen Wahlkampfslogan „Make America Great Again“Meghan McCain anspielte, war da gerade unterwegs zum Golfplatz. Ihr Vater hatte in seinem letzten Willen die Teilnahme Trumps an den Trauerfeierlichkeiten ausdrücklich untersagt. Stattdessen bat er die beiden Männer, die ihm seinen größten Traum verwehrt hatten, an seinem Sarg zu sprechen. Dass der Demokrat Barack Obama und der Republikaner George W. Bush ihrem unterlegenen Konkurrenten im Rennen um das Weiße Haus den letzten Wunsch erfüllten, steht für das Selbstverständnis der Politik McCains, der im Alter von 81 Jahren einem Gehirntumor erlegen ist. Obama wies darauf hin, „dass unsere Demokratie nicht funktionieren wird, wenn wir uns daran gewöhnen, die Wahrheit zu beugen“. Und Bush lobte Charakterzüge McCains, die einem bei Trump nicht spontan in den Sinn kommen: „Er war ehrenhaft, stets anerkennend, dass seine Kontrahenten immer noch Patrioten und Menschen waren.“
Der Trauergottesdienst am Samstag wurde zu einer Art Gegenveranstaltung zu Trumps Amerika. Die Ansprachen und der Umgang miteinander waren freundlich, respektvoll, harmonisch und überparteilich. Zu den Ehrensargträgern gehörten Ex-Vizepräsident Joe Biden und der Schauspieler Warren Beatty, die politisch nicht auf der Linie McCains lagen und trotzdem seine Freunde waren.
Der Senator aus Arizona war kämpferisch, aber nicht verletzend, pragmatisch, aber keineswegs prinzipienlos, patriotisch, aber nicht nationalistisch. McCain stand für ein Amerika, das mit dem Donald Trumps nicht viel gemein hat. McCain widmete sein Leben einem Ideal, das größer ist als er selbst. Damit geriet er zum konservativen Gegenpol des narzisstischen Amtsinhabers, der nicht an die höchsten, sondern an die niedersten Instinkte appelliert. Doch wie die Folter des Vietcong den Kriegsgefangenen John McCain nicht brechen konnte, ließ er sich von den Demütigungen des Großmauls im Oval Office nicht beeindrucken.
Politik war für McCain kein Nullsummenspiel, der politische Gegner kein Feind. Er verstand den Wert von Bündnissen und internationaler Zusammenarbeit, verteidigte Freiheit und Menschenrechte daheim und in der Welt. Stets lehnte es der Querkopf ab, seine Prinzipien der Parteidisziplin unterzuordnen.
Europa verliert mit dem profilierten Sicherheitspolitiker einen treuen Verbündeten, der verstand, wie wichtig das Bündnis der Demokratien diesseits und jenseits des Atlantiks für Frieden und Freiheit in der Welt war und ist.
Aber John McCain wird auch als tragische Person in die Geschichte eingehen, die es nicht schaffte, den Geist zu besiegen, den sie selbst aus der Flasche gelassen hatte. Nichts bereute er bis zuletzt mehr als die Wahl der Tea-PartyIkone Sarah Palin zu seinem „Running Mate“bei der Präsidentschaftswahl 2008. Damit machte McCain, der damals gegen Barack Obama verlor, den weißen Nationalismus überhaupt erst hoffähig, der später Donald Trump ins Weiße Haus brachte.
In seiner letzten Rede vor dem Kongress warnte McCain eindringlich vor dem „halb garen und unechten Amerika-zuerst-Nationalismus“Trumps, dem die meisten seiner Parteifreunde längst erlegen sind. Der Senator wirkte zuletzt wie ein Fremdkörper in der Republikanischen Partei, der „Grand Old Party“, die sich von fast allem verabschiedet hat, was ihm wichtig war.
Hilflos musste McCain erleben, wie Trump die Partei, die sich einst als Garant des Freihandels, transatlantischer Kooperation und westlicher Werte verstand, zu einer chauvinistischen Jubeltruppe verwandelte, die mit einer Vorliebe für Putin, Protektionismus und Populismus heute so ziemlich das Gegenteil des Republikanismus John McCains verkörpert.
Für die letzte Konsequenz fehlte dem von seiner schweren Krankheit gezeichneten Senator am Ende die Kraft. Statt der Partei den Rücken zu kehren, blieb es bei der Symbolik der von ihm bis ins letzte Detail durchinszenierten Trauerfeierlichkeiten.
Mit John McCain trugen die USA nicht nur den profiliertesten Republikaner der alten Schule zu Grabe, sondern den traditionellen Republikanismus selbst.
Zurück bleibt eine tief gespaltene Nation, deren Präsident für diesen großen Amerikaner nicht einmal die Flagge auf halbmast setzen wollte.
Er war auch eine tragische Figur