USA drehen den Geldhahn zu
Das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge betreut rund fünf Millionen Menschen, betreibt Schulen und Spitäler – und steht plötzlich vor großen Problemen.
Zwei vertrackte Probleme brachten bislang Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern immer wieder zum Scheitern: Jerusalem und die palästinensischen Flüchtlinge. In beiden Fragen bezog USPräsident Donald Trump nun eindeutig Stellung und erhöht damit den Druck auf die Palästinenser.
Im Dezember erkannte er die Stadt Jerusalem, deren Ostteil die Palästinenser als Hauptstadt für ihren Staat beanspruchen, als Hauptstadt Israels an. Damit sei „das Problem Jerusalem vom Tisch“, behauptete Trump. Jetzt will er weiter Klarheit schaffen. Die USA stellten am Wochenende nach 70 Jahren alle Zahlungen an das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) ein. Das soll Ramallah zwingen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und von einer zentralen Forderung abzulassen: der Rückkehr in israelisches Staatsgebiet.
Die UNRWA ist eine der wichtigsten Einrichtungen der palästinensischen Gesellschaft. Weltweit sind rund fünf Millionen Personen bei ihr registriert: zwei Millionen in Jordanien, 534.000 in Syrien, 464.000 im Libanon. Im Westjordanland ist das Hilfswerk für das Wohlergehen von rund 800.000 Menschen verantwortlich. Im Gazastreifen, der von der radikal-islamischen Hamas beherrscht wird, spielt UNRWA eine zentrale Rolle. Gut die Hälfte der Bevölkerung – rund eine Million Menschen – ist auf ihre Lebensmittelrationen angewiesen. Etwa 250.000 Schüler lernen in 267 UNRWA-Schulen. Im dem Landstrich, wo die Arbeitslosigkeit bei über 40 Prozent liegt, beschäftigt das Hilfswerk 13.000 Angestellte.
Die USA trugen bislang als wichtigster Geldgeber mehr als ein Viertel des jährlichen UNRWA-Budgets von mehr als einer Milliarde Dollar. UNRWA-Sprecher warnen, dass ab Ende September Dutzende Schulen geschlossen und Tausende Lehrer entlassen werden müssen. Das weckt Ängste vor einem Kollaps der palästinensischen Zivilgesellschaft und einem Aufflammen der Gewalt.
Das offizielle Jerusalem sieht das freilich anders. UNRWA sei „eines der Hauptprobleme dieses Konflikts“, hieß es in einer Verlautbarung der Regierung von Benjamin Netanjahu. Die „United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East“wurde nach Israels Unabhängigkeitskrieg im Dezember 1949 von der UNO gegründet. Am meisten stört Israel die einzigartige UNRWA-Definition eines Flüchtlings. Sie macht Palästinenser zum einzigen Volk, das den Flüchtlingsstatus vererbt. So leben nur noch rund 30.000 der ursprünglichen Flüchtlinge, UNRWA spricht indes von fünf Millionen Flüchtlingen. Die Einrichtung eines speziellen Hilfswerks für Palästinenser – Flüchtlinge anderer Nationen werden vom UNHCR betreut – schuf zudem einen Sonderstatus, der laut Israel das Flüchtlingsproblem verewigt. Die bloße Existenz von UNRWA halte arabische Staaten davon ab, Palästinenser zu integrieren, heißt es. Im Libanon dürfen sie bis heute nur in Lagern wohnen. Viele Berufe sind ihnen verboten, obschon sie hier seit Generationen leben.
Ein weiteres Problem ist das „Rückkehrrecht“. Laut UNO-Resolution 194 soll „Flüchtlingen, die in ihre Häuser zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies schnell ermöglicht werden“. Doch Israel, ein Staat mit 8,5 Millionen Einwohnern, will keine fünf Millionen Palästinenser aufnehmen. Jerusalem sieht deshalb in der von Resolution 194 ebenfalls anvisierten finanziellen Entschädigung die einzig akzeptable Lösung. UNRWA dagegen hält am Rückkehrrecht fest.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der im Dezember alle Kontakte zu Washington einfror, nannte die jüngste Entscheidung des Weißen Hauses einen „Angriff auf das palästinensische Volk“. Ramallah sucht nun nach neuen Gebern. Der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte bereits mehr Unterstützung zu.
Israels Sicherheitsdienste sehen das ähnlich. Die meisten Israelis sind zwar überzeugt, dass UNRWA langfristig Lösungen erschwert. Doch die Generäle fürchten die kurzfristigen Folgen eines UNRWAKollapses. Als UNRWA-Angestellte 2014 für zwei Monate streikten, türmte sich im Westjordanland der Müll, Kliniken und Schulen blieben geschlossen. Der Gazastreifen würde unter einem Zusammenbruch von UNRWA ungleich schwerer leiden. Sollten Hunderttausende Jugendliche auf die Straße geschickt werden, weil die Schulen schließen, die Arbeitslosigkeit noch weiter steigen und Menschen hungern, nähme der innenpolitische Druck auf die Hamas zu. Donald Trumps Beschluss hätte dann einen Krieg wahrscheinlicher gemacht.