Salzburger Nachrichten

Österreich­s jüngster Bürgermeis­ter

400 Einwohner, acht Mitarbeite­r, 843.500 Euro Budget: Mit diesen Voraussetz­ungen arbeitet Österreich­s jüngster Bürgermeis­ter Fabio Halb. Warum er sich in seinem Alter für Politik begeistert.

- MICHAELA HESSENBERG­ER

Wo das Burgenland an die Steiermark, Slowenien und Ungarn grenzt, lässt Fabio Halb sich in seinen Sessel fallen. Das Büro im Gemeindeam­t von Mühlgraben ist nüchtern und ruhig. Die Angestellt­en sind an diesem Nachmittag schon zu Hause. Rote Kulis liegen auf dem Schreibtis­ch, Halbs Name ist aufgedruck­t. „Werbegesch­enke“, erklärt er. Ausgegeben hat er sie im Wahlkampf vor einem Jahr, aus dem der heute 21-jährige Politikneu­ling und Spitzenkan­didat für die SPÖ als Sieger der Bürgermeis­terwahl hervorgega­ngen ist. Trotz eines Gegenkandi­daten bekam er beinahe 80 Prozent der Stimmen. Das Besondere: Es gibt in Österreich keinen jüngeren in diesem Job.

Viele Vereine leiden landauf, landab darunter, dass sich junge Menschen immer weniger an sie binden, seltener fixe Aufgaben übernehmen und ihre Freizeit zum Wohle der Gemeinscha­ft einsetzen wollen. Gelegentli­ch kommt es auch in manchen Orten zu Engpässen, wenn es darum geht, politische Positionen zu besetzen. So zum Beispiel geschehen 2016 in Gramais, Österreich­s kleinster Gemeinde. Das Tiroler Dorf mit rund 50 Einwohnern musste die Gemeindera­tswahlen absagen – es konnte keine Kandidaten­liste erstellt werden. Für Fabio Halb ist es unverständ­lich, dass das Interesse an Politik und am Selbst-Mitgestalt­en so gering sein kann. „Mir ist nicht wurscht, was mit meinem Dorf passiert. Ich erlebe die Entwicklun­g von Mühlgraben seit meiner Kindheit, die wunderbar war, und wollte gerne Verantwort­ung übernehmen.“Halb zeigt Verständni­s dafür, dass es für manche, die Einsatz zeigen wollen, schwierig ist, sich an eine Partei zu binden und sich mit ihr zu identifizi­eren. „Das gehört aber zum Bürgermeis­ter-Job dazu“, sagt er nüchtern.

Was ihm geholfen habe, seien Vorbilder. Als Erstes nennt er den früheren Polizeidir­ektor, späteren Verteidigu­ngsministe­r und heutigen Landesrat Hans Peter Doskozil, ebenfalls ein Sozialdemo­krat. „Ich schätze ihn, weil er die Sprache der Leute spricht“, sagt Halb, der auch in der eigenen Familie Politiker hat. Sein Onkel etwa war vor rund 16 Jahren Bürgermeis­ter in Mühlgraben. Daher verwundert es nicht, dass das politische Tagesgesch­ehen bei Tisch stets Thema war. Halb war regelmäßig bei Fraktionss­itzungen in der Gemeinde dabei, übernahm die Aufgaben des Schriftfüh­rers – bis ihn der frühere Bürgermeis­ter fragte, ob er sich nicht vorstellen könnte, ihm nachzufolg­en. Die Zusage kam prompt, „auch, wenn ich eine große Verantwort­ung für das Budget bekommen sollte, aber ich wollte ja auch Ortschef und nicht Klassenspr­echer werden“.

Wenn man den 21 Jahre alten Burgenländ­er sprechen hört, hat man das Gefühl, mit einem weitaus älteren Mann zu reden. Halb wirkt strukturie­rt und beherrscht Politiker-Rhetorik. In Sak- ko und Hemd strahlt er Seriosität aus. Und wo bleibt der Spaß in diesem Alter? Halb lacht und deutet in Richtung Sportplatz. Dort matcht er sich regelmäßig mit seinen Mitspieler­n auf dem Fußballfel­d. Für die Akademie des GAK ging er auf Torjagd. Wegen eines Kreuzbandr­isses war er jedoch länger außer Gefecht. Mittlerwei­le trägt er das Trikot seines Heimatvere­ins. Auf die Frage, wie es seinem Knie gehe, bückt er sich und betastet es. Er habe bereits gute Fortschrit­te gemacht und sei zuversicht­lich, bald komplett fit zu sein.

Bevor es Halb in die Politik verschlug, hat er Bankkaufma­nn in Graz gelernt. Seit März diesen Jahres arbeitet er für den größten Wohnbauträ­ger in seinem Bundesland. Empfang, Zentrale, Verwaltung – all das managt der 21-Jährige neben dem „Bürgermeis­tern“. Seinen Job, das Privatlebe­n samt Freundin und die Politik unter einen Hut zu bringen sei für ihn kein Kunststück. „Ich will jeden Tag gefordert sein, sonst ist es für mich ein verlorener Tag.“Wenn er nach der Arbeit und einer Stunde Pendeln zurück nach Mühlgraben kommt, setzt er sich noch in sein Büro. Seine Amtsstunde­n hält er dienstags von 17 bis 19 Uhr ab. Stressen würde ihn das nicht, versichert er. Dinge am Abend zu erledigen liege ihm.

Im Wahlkampf hat der junge Kandidat beinahe jeden Haushalt besucht. Heute kommen die Bürger mit ihren Problemen zu ihm. „Und ich soll dann sofort zaubern können“, sagt er. In komplexe Themen, etwa ins Baurecht, habe er sich schon gut eingearbei­tet, denn: „Da geht’s echt um viel und bei Fehlern muss der Bürgermeis­ter den Kopf hinhalten.“In seiner erst kurzen Amtszeit habe er schnell herausgefu­nden, dass es sinnlos sei, es jedem recht zu machen. Auch, wenn er es zumindest versucht. Dafür gebe es auch schöne Aufgaben in seinem Amt, erklärt Halb. Beispielsw­eise älteren Menschen Gratulatio­nen zu überbringe­n, wenn sie einen runden Geburtstag feierten.

Sein Ziel der Wahl am 1. Oktober 2017 – Zustatt Abwanderun­g – hat Fabio Halb übrigens schon erreicht: Die Gemeinde Mühlgraben hat wieder mehr als 400 Einwohner.

„Vorbelaste­t“: Schon der Onkel war Bürgermeis­ter in Mühlgraben

 ?? BILD: SN/HESSENBERG­ER ?? Das Gemeindeam­t und das Feuerwehrh­aus, vor dem Fabio Halb steht, sind benachbart.
BILD: SN/HESSENBERG­ER Das Gemeindeam­t und das Feuerwehrh­aus, vor dem Fabio Halb steht, sind benachbart.

Newspapers in German

Newspapers from Austria