Österreichs jüngster Bürgermeister
400 Einwohner, acht Mitarbeiter, 843.500 Euro Budget: Mit diesen Voraussetzungen arbeitet Österreichs jüngster Bürgermeister Fabio Halb. Warum er sich in seinem Alter für Politik begeistert.
Wo das Burgenland an die Steiermark, Slowenien und Ungarn grenzt, lässt Fabio Halb sich in seinen Sessel fallen. Das Büro im Gemeindeamt von Mühlgraben ist nüchtern und ruhig. Die Angestellten sind an diesem Nachmittag schon zu Hause. Rote Kulis liegen auf dem Schreibtisch, Halbs Name ist aufgedruckt. „Werbegeschenke“, erklärt er. Ausgegeben hat er sie im Wahlkampf vor einem Jahr, aus dem der heute 21-jährige Politikneuling und Spitzenkandidat für die SPÖ als Sieger der Bürgermeisterwahl hervorgegangen ist. Trotz eines Gegenkandidaten bekam er beinahe 80 Prozent der Stimmen. Das Besondere: Es gibt in Österreich keinen jüngeren in diesem Job.
Viele Vereine leiden landauf, landab darunter, dass sich junge Menschen immer weniger an sie binden, seltener fixe Aufgaben übernehmen und ihre Freizeit zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen wollen. Gelegentlich kommt es auch in manchen Orten zu Engpässen, wenn es darum geht, politische Positionen zu besetzen. So zum Beispiel geschehen 2016 in Gramais, Österreichs kleinster Gemeinde. Das Tiroler Dorf mit rund 50 Einwohnern musste die Gemeinderatswahlen absagen – es konnte keine Kandidatenliste erstellt werden. Für Fabio Halb ist es unverständlich, dass das Interesse an Politik und am Selbst-Mitgestalten so gering sein kann. „Mir ist nicht wurscht, was mit meinem Dorf passiert. Ich erlebe die Entwicklung von Mühlgraben seit meiner Kindheit, die wunderbar war, und wollte gerne Verantwortung übernehmen.“Halb zeigt Verständnis dafür, dass es für manche, die Einsatz zeigen wollen, schwierig ist, sich an eine Partei zu binden und sich mit ihr zu identifizieren. „Das gehört aber zum Bürgermeister-Job dazu“, sagt er nüchtern.
Was ihm geholfen habe, seien Vorbilder. Als Erstes nennt er den früheren Polizeidirektor, späteren Verteidigungsminister und heutigen Landesrat Hans Peter Doskozil, ebenfalls ein Sozialdemokrat. „Ich schätze ihn, weil er die Sprache der Leute spricht“, sagt Halb, der auch in der eigenen Familie Politiker hat. Sein Onkel etwa war vor rund 16 Jahren Bürgermeister in Mühlgraben. Daher verwundert es nicht, dass das politische Tagesgeschehen bei Tisch stets Thema war. Halb war regelmäßig bei Fraktionssitzungen in der Gemeinde dabei, übernahm die Aufgaben des Schriftführers – bis ihn der frühere Bürgermeister fragte, ob er sich nicht vorstellen könnte, ihm nachzufolgen. Die Zusage kam prompt, „auch, wenn ich eine große Verantwortung für das Budget bekommen sollte, aber ich wollte ja auch Ortschef und nicht Klassensprecher werden“.
Wenn man den 21 Jahre alten Burgenländer sprechen hört, hat man das Gefühl, mit einem weitaus älteren Mann zu reden. Halb wirkt strukturiert und beherrscht Politiker-Rhetorik. In Sak- ko und Hemd strahlt er Seriosität aus. Und wo bleibt der Spaß in diesem Alter? Halb lacht und deutet in Richtung Sportplatz. Dort matcht er sich regelmäßig mit seinen Mitspielern auf dem Fußballfeld. Für die Akademie des GAK ging er auf Torjagd. Wegen eines Kreuzbandrisses war er jedoch länger außer Gefecht. Mittlerweile trägt er das Trikot seines Heimatvereins. Auf die Frage, wie es seinem Knie gehe, bückt er sich und betastet es. Er habe bereits gute Fortschritte gemacht und sei zuversichtlich, bald komplett fit zu sein.
Bevor es Halb in die Politik verschlug, hat er Bankkaufmann in Graz gelernt. Seit März diesen Jahres arbeitet er für den größten Wohnbauträger in seinem Bundesland. Empfang, Zentrale, Verwaltung – all das managt der 21-Jährige neben dem „Bürgermeistern“. Seinen Job, das Privatleben samt Freundin und die Politik unter einen Hut zu bringen sei für ihn kein Kunststück. „Ich will jeden Tag gefordert sein, sonst ist es für mich ein verlorener Tag.“Wenn er nach der Arbeit und einer Stunde Pendeln zurück nach Mühlgraben kommt, setzt er sich noch in sein Büro. Seine Amtsstunden hält er dienstags von 17 bis 19 Uhr ab. Stressen würde ihn das nicht, versichert er. Dinge am Abend zu erledigen liege ihm.
Im Wahlkampf hat der junge Kandidat beinahe jeden Haushalt besucht. Heute kommen die Bürger mit ihren Problemen zu ihm. „Und ich soll dann sofort zaubern können“, sagt er. In komplexe Themen, etwa ins Baurecht, habe er sich schon gut eingearbeitet, denn: „Da geht’s echt um viel und bei Fehlern muss der Bürgermeister den Kopf hinhalten.“In seiner erst kurzen Amtszeit habe er schnell herausgefunden, dass es sinnlos sei, es jedem recht zu machen. Auch, wenn er es zumindest versucht. Dafür gebe es auch schöne Aufgaben in seinem Amt, erklärt Halb. Beispielsweise älteren Menschen Gratulationen zu überbringen, wenn sie einen runden Geburtstag feierten.
Sein Ziel der Wahl am 1. Oktober 2017 – Zustatt Abwanderung – hat Fabio Halb übrigens schon erreicht: Die Gemeinde Mühlgraben hat wieder mehr als 400 Einwohner.
„Vorbelastet“: Schon der Onkel war Bürgermeister in Mühlgraben