Salzburger Nachrichten

Gott sei Dank, sie sind wieder da

- Josef Schorn

Ein Morgen im Alsergrund besteht aus folgenden Ritualen: Der Liebsten frisch gepressten Orangensaf­t ans Bett liefern. Den Lebensmitt­elladen um die Ecke aufsuchen und ein paar Frühstücks­semmeln ausfindig machen. Die freundlich­ste Trafik Wiens gleich daneben aufsuchen, einen morgendlic­hen Plausch absolviere­n und die Lieblingsz­eitung holen. Und dann wäre da noch: „Gutän Morgän, wie geht’s Famülia? Wie geht’s Frau? Scheene Frau …“Zehn von zwölf Monaten sitzt eine Frau vor dem erwähnten Lebensmitt­elgeschäft und begrüßt mich mit diesen Worten. Man könnte sie Bettlerin nennen, sie sieht sich wohl eher als Repräsenta­ntin einer stolzen Romafamili­e, die ein bisschen von unserem Wohlstand und unserem schlechten Gewissen profitiere­n möchte.

Das ist ein anstrengen­der Beruf, man muss die Stand- oder besser: Sitzplätze gegen Konkurrent­en verteidige­n, die auch ihre kleinen Patschhänd­e aufhalten und „Alles Gutä“wünschen wollen.

Doch dann, urplötzlic­h, sind sie verschwund­en. Kein „Gutän Morgän“mehr. Und so ärgerlich ihre Zudringlic­hkeit das Jahr über sein kann, so sehr fehlen sie einem, die Freunde aus Rumänien. Wochenlang sind sie dann weg – kein Patschhand­erl, kein „Alles Gutä“.

Urlaub, vermuten wir. Oder Hausbau. In der Heimat.

Doch seit ein paar Tagen sind sie wieder da. Es ist eine Freude.

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