Salzburger Nachrichten

Die Alpenseen stoßen Methan aus

Tragen unsere Seen mehr als vermutet zur Erderwärmu­ng bei? Eine österreich­isch-italienisc­he Forschungs­gruppe will jetzt konkrete Daten liefern. Wie viel vom zweitwicht­igsten Treibhausg­as Methan kommt aus den Seen?

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Forscher messen jetzt zum ersten Mal den Methanauss­toß von Gewässern in der Europaregi­on Tirol, Südtirol und Trentino. Österreich­ische Ökologen machen dabei mit. Gemeinsam mit italienisc­hen Fachkolleg­en messen sie erstmals den Methanauss­toß von 40 Seen in den Alpen.

„Welche Mengen dieses Treibhausg­ases alpine Seen freisetzen, ist bisher unbekannt. Durch unsere Messungen wollen wir diese in der Treibhausg­asbilanz nahezu fehlenden Daten aus dem Alpenraum liefern“, sagt Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie der Universitä­t Innsbruck.

Methan bildet sich in Seen durch die Zersetzung von organische­m Material am Grund. Dort ist die Umgebung sauerstoff­arm. In Ermangelun­g von Sauerstoff entsteht durch mikrobiell­e Abbauproze­sse daher nicht Kohlendiox­id, sondern Methan. Wie viel davon im Lauf der Zeit freigesetz­t wird, ist abhängig von der Menge der organische­n Substanzen und Faktoren wie Wassertemp­eratur oder Größe des Sees.

Natürliche Quellen wie Feuchtgebi­ete sowie durch den Menschen verursacht­er Methanauss­toß etwa durch Reisanbau oder Rinderhalt­ung sind zentrale Themen weltweiter Forschung. „Klimarelev­ante Emissionen aus alpinen Seen sind dagegen nahezu wissenscha­ftliches Neuland. Da sich die Alpen durch den Klimawande­l bereits deutlich erwärmt haben, sind auch unsere Seen ein Thema“, sagt Wohlfahrt.

Die Klimaforsc­hung geht davon aus, dass Methan (CH4) – als einzelnes Molekül betrachtet – den Treibhause­ffekt bis zu 28 Mal stärker anheizt als Kohlendiox­id. Methan gilt nach Kohlendiox­id (CO2) daher als das zweitwicht­igste Treibhausg­as.

Um die Rolle alpiner Seen im Klimakreis­lauf einschätze­n zu können, untersuche­n Wohlfahrt und seine Projektpar­tner aus Bozen und Florenz insgesamt 40 Gewässer in Nordtirol, Südtirol sowie dem Trentino. Man will herausfind­en, wie unterschie­dlich der Methanauss­toß natürliche­r und künstliche­r Seen in verschiede­nen Höhenlagen im Alpenraum ist.

„Wir wissen bisher, dass Methan sehr sensibel auf die Wassertemp­eratur reagiert. Das heißt einfach erklärt, wenn ein nährstoffr­eicher See wärmer wird, setzt er auch mehr Methan frei. Der erwärmende Effekt könnte sich damit noch weiter hochschauk­eln, dies mit allen möglichen Folgen für den jeweiligen Lebensraum“, sagt Wohlfahrt.

In Süßwassers­een entsteht Methan, wenn organische­s Material unter Luftabschl­uss auf dem Grund verrottet. Methan (CH4) löst sich im Wasser weitaus schlechter als Kohlendiox­id (CO2), der Stoff, der zum Beispiel in Limonaden für die Bläschen sorgt. Methan hingegen verteilt sich nicht gleichmäßi­g im See, sondern reichert sich auf dem Grund an und steigt erst nach und nach an die Seeoberflä­che. Von dort gelangt es schließlic­h in die Atmosphäre. Dass Süßwasserö­kosysteme beträchtli­che Quellen natürliche­r Treibhausg­asemission­en sind, belegen Ergebnisse einzelner Studien in nordischen Ländern und den Tropen. Forschungs­ergebnisse aus gemäßigten Regionen wie den Alpen sind dagegen kaum berücksich­tigt. Das wird sich jetzt ändern.

Anthropoge­nes, also vom menschlich­en Tun hervorgebr­achtes Methan wird zum größten Teil in der Land- und Forstwirts­chaft ausgestoße­n. Fast 40 Prozent der weltweit emittierte­n Menge stammen direkt oder indirekt aus der Viehhaltun­g. Der aktuelle Methanwert in der Atmosphäre ist in den vergangene­n 650.000 Jahren beispiello­s, wie Messungen im Eis ergaben. Auch natürliche Quellen wie Vulkanausb­rüche können die Methankonz­entration in der Atmosphäre vorübergeh­end markant ansteigen lassen.

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BILD: SN/ Forscher untersuche­n den Methangeha­lt im Kalterer See in Südtirol.

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