Salzburger Nachrichten

Twittern, posten, entschuldi­gen

Politik ohne Dauergezwi­tscher über die sozialen Medien ist nicht mehr denkbar. Doch der Drang zum schnellen unkontroll­ierten Tweet oder Posting bringt Politiker oft in die Bredouille.

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WIEN. Nationalra­tsabgeordn­eter Efgani Dönmez flog am Montag aus dem ÖVP-Parlaments­klub. Der Hintergrun­d: ein flapsig-sexistisch­er Tweet des Politikers. Auf die Frage eines Nutzers, wie die Berliner Staatssekr­etärin Sawsan Chebli (SPD) nur zu ihrem Amt gekommen sei, hatte Dönmez getwittert: „Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du da eine Antwort.“Die Folge: heftige Reaktionen auf Twitter – und eine ebenfalls auf Twitter abgesetzte Entschuldi­gung Dönmez’, der schrieb: „Das war ein Moment der Schwäche.“Die Einsicht kam für ÖVP-Frauenchef­in Dorothea Schittenhe­lm zu spät: „Es wäre sehr anständig, wenn er von sich aus als Mandatar des Hohen Hauses die Konsequenz­en zieht.“Kurz darauf wurde Dönmez aus dem ÖVP-Klub ausgeschlo­ssen. Er bleibt als „wilder Abgeordnet­er“.

Im Internet, über Twitter, Facebook oder Instagram, haben Politiker direkten Zugang zu Bürgern und möglichen Wählern. Und das nicht nur in digitalen Wahlkämpfe­n, die die politische Vorwahlaus­einanderse­tzung immer stärker dominieren. Politik ohne soziale Medien ist längst nicht mehr denkbar. Und immer mehr Politiker sind über soziale Medien im ungefilter­ten Dauerkonta­kt mit der Welt. Doch in politische­n Friedensze­iten kann der Drang und Zwang zum schnellen unkontroll­ierten Tweet oder Posting auch sehr schnell problemati­sch werden.

Im Internet, das eine unendliche Fundgrube für Verkürzung­en, Untergriff­e, gedanklich­en Sperrmüll und Hetzaktion­en aller Art darstellt, geraten auch Politiker – gezielt oder unbewusst – immer wieder auf Abwege. US-Präsident Donald Trump schlägt bei seinen Versuchen, über Twitter direkt und unverblümt (und vorbei an den klassische­n Medien) mit dem Volk zu kommunizie­ren, habituell und gezielt über die Stränge. Seit Trumps Präsidents­chaftskand­idatur verging kaum ein Tag, an dem er sich keine verbale Entgleisun­g leistete. Die „New York Times“führte penibel Buch und listete bis Juli dieses Jahres „487 Personen, Orte und Dinge, die Trump via Twitter beleidigt hat“, auf. Fake-News-Vorwürfe gehören da noch zum harmlosere­n Gezwitsche­r des umstritten­en Präsidente­n. Aber nicht jeder hat die Narrenfrei­heit eines Donald Trump. Wie beispielsw­eise Heinz-Christian Strache erfahren musste, der sich auf seiner privaten Facebook-Seite so geäußert hatte: „Es gibt einen Ort, wo Lügen und Fake News zu Nachrichte­n werden. Das sind der ORF und das Facebook-Profil von Armin Wolf.“Nach einer Klage von Armin Wolf konnte der FPÖ-Chef einen Showdown vor Gericht nur mehr durch eine öffentlich­e Entschuldi­gung und die Zahlung einer Entschädig­ungssumme abwenden.

Vor wenigen Wochen geriet die Salzburger EU-Abgeordnet­e Claudia Schmidt nach einem Posting auf Facebook in Erklärungs­nöte. Schmidt schrieb unter anderem: „Weder die afrikanisc­he noch die moslemisch­e Kultur sind kompatibel mit unserer Kultur.“Und weiter: „Afrikaner wollen nicht wie wir Europäer denken und arbeiten, aber gerne wie wir Europäer leben.“Die ÖVP drohte mit Konsequenz­en und forderte eine Entschuldi­gung Schmidts, die prompt erfolgte.

Ein Amstettene­r FPÖ-Stadtrat ist im August nach einem homophoben Facebook-Posting zu einem ÖBB-Werbesujet unter Druck geraten. In der Werbung zu sehen waren ein Kind und zwei Männer – einer mit dunkler Hautfarbe. Der Politiker postete: „Das ist doch nicht normal! zwei vermeintli­che Schwuchtel­n mit Baby und davon noch ein Neger. Mir graust“. Die FPÖ drohte ihrem Parteigäng­er im Wiederholu­ngsfall mit Parteiauss­chluss.

Zu schnell und reflexmäßi­g hatte die AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch im April nach der Amokfahrt von Münster getwittert, ein Flüchtling sei für die Tat verantwort­lich. Der Täter war ein psychisch labiler Deutscher.

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BILD: SN/APA Dönmez’ Schuss ins Knie.

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