Kanzler, Knickse, nackte Engel
Der Wiener Kongress beweist Alarmierendes: Wer knickst, könnte eine Agentin sein.
Das nennt man gekonnte Eigen-PR: Das Hochzeitstänzchen zwischen Karin Kneissl und Wladimir Putin dauerte vielleicht 30 Sekunden, beschäftigt aber seit 18 Tagen die Öffentlichkeit. 18 Tage, das sind 1.555.200 Sekunden. Macht eine Verstärkerwirkung von Tänzchenin Aufmerksamkeitssekunden von schreibe und staune 1 zu 51.840. Jeder Werbefachmann wird Ihnen sagen: Das ist genial.
Und die 18 Tage sind ja bei Weitem noch nicht alles. Soeben wurde in dieser ungeheuer wichtigen Angelegenheit eine parlamentarische Interpellation an den Bundeskanzler gerichtet, für deren Beantwortung er traditionell zwei Monate Zeit hat. Der 30-Sekunden-Tanz vom 18. August wird Österreich also bis weit in den Spätherbst hinein beschäftigen.
Es bräuchte schon einen Adam bzw. Eva Riese, um festzustellen, wie viele Aufmerksamkeitssekunden da zusammenkommen. Wobei die Aufmerksamkeit völlig zu Recht besteht. Denn besagter Anfrage ist zu entnehmen, dass der den Hochzeitstanz beendende KneisslKnicks von eminenter Symbolkraft und historischem Hintersinn erfüllt gewesen sei.
Der Oppositionsabgeordnete, der die Anfrage stellte, weist nämlich kenntnisreich darauf hin, dass derartige Knickse ihren Ursprung in – Zitat – „Quadrille-Tänzen haben, die in Österreich vor allem zu Zeiten des Wiener Kongresses das Herz des damals regierenden Staatskanzlers Clemens Wenzel Lothar Metternich zu erfreuen vermochten“.
Na, das schlägt doch wirklich dem Fass den Tanzboden aus der Krone! Knickst die Kneissl vor dem Putin, um den Metternich zu erfreuen! Man zählt die wie erwähnt unzähligen Sekunden, bis man erfährt, was der Bundeskanzler zu dieser atemberaubenden Enthüllung des Abgeordneten zu sagen hat.
Wobei Enthüllung, Tanz und Wiener Kongress aufs Engste miteinander zusammenhän- gen. Bekanntlich reiste zu dem Kongress 1814 auch Zar Alexander I. – ein früher Vorläufer Wladimir Putins – nach Wien an. In seinem Gefolge befand sich die russische Fürstin Bagration, die wegen ihrer Vorliebe für durchsichtige Kleider den Beinamen „Nackter Engel“trug und dem Kongress-Gastgeber Metternich bei Quadrille-Tänzen mit abschließendem Knicksen derart nahe kam, dass die beiden bald ein Kind miteinander hatten.
Erst später stellte sich heraus, dass sie von Putins Vorläufer als Knicks-Agentin auf den österreichischen Kanzler angesetzt worden war. Übrigens behielt Fürstin Bagration die Sitte, sich durchsichtig zu kleiden, bis ins hohe Alter bei. „Nackter Engel“wurde sie da aber nicht mehr genannt. – Man darf wirklich sehr gespannt sein, wie der Metternich-Nachfolger im Kanzleramt das alles zu rechtfertigen gedenkt.