Wer bringt Licht in die Spionage-Affäre?
Korruptionssumpf, politische Machtspielchen oder beides? Worum geht es bei dem Krimi rund um den heimischen Staatsschutz? Die Befragung der Zeugen im parlamentarischen U-Ausschuss dazu könnte erste Antworten liefern.
Korruption, Machtmissbrauch, Seilschaften. Das Parlament hat seit 1945 in 25 Untersuchungsausschüssen versucht, politische Missstände aufzuzeigen. Nicht immer erfolgreich. Denn viel hängt von der Befragung der Zeugen ab. Heute, Dienstag, sind die ersten Auskunftspersonen im UAusschuss zur Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) am Wort. Die Opposition erhofft sich Klarheit in der heiklen Causa.
Die Affäre
Ende Februar führten Beamte der Polizeieinheit zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) im BVTHauptquartier und mehreren Privatwohnungen von Staatsschützern Hausdurchsuchungen durch. Die Razzien unter der Leitung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft richteten sich gegen aktive und ehemalige BVTBeamte. Der Verdacht: Sensible Daten wurden nicht ordnungsgemäß gelöscht. Außerdem sollen in Österreich produzierte nordkoreanische Reisepassrohlinge rechtswidrig an Südkorea weitergegeben worden sein. Die Vorwürfe tauchen bereits in einem Konvolut auf, das 2017 anonym verschickt worden war. Ende 2017 erstattete der damals neue Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, deshalb Anzeige. Das Innenministerium organisierte auch vier Zeugen, welche die Anschuldigungen untermauern sollten. Drei davon waren vor ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft im Innenministerium und mindes- tens zwei der Zeugen wurden von einem Kabinettsmitarbeiter Innenminister Herbert Kickls (FPÖ) zu den Ermittlungsbehörden begleitet. Die Behörden ermitteln derzeit nach wie vor gegen acht Personen, unter anderem gegen BVT-Direktor Peter Gridling. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Ein Gericht hat die Suspendierung Gridlings und anderer Beamter mittlerweile aufgehoben. Einzig der Chef der Abteilung Spionageabwehr verlor seinen Job, nachdem in seiner Privatwohnung geheime Akten gefunden wurden. Bis auf diese Hausdurchsuchung wurden vergangene Woche alle Razzien gerichtlich für unrechtmäßig erklärt.
Die Untersuchung
SPÖ, Neos und Liste Pilz vermuten, dass hinter den Ermittlungen gegen ranghohe BVT-Beamte eine politische Umfärbeaktion im Staatsschutz steht. In einer ersten Phase soll der U-Ausschuss die umstrittenen Hausdurchsuchungen unter die Lupe nehmen. Folgende Fragen will die Opposition klären: Warum wurde die Razzia von einer Polizeieinheit durchgeführt, die sonst andere Aufgaben hat? Welche Rolle spielt es, dass der EGS-Kommandant FPÖ-Lokalpolitiker ist? Wurde auf die Justiz Druck ausgeübt? Wurden Zeugen von Kickls Mitarbeiter manipuliert? Welche Akten wurden beschlagnahmt? In einer zweiten Phase wollen SPÖ, Neos und Liste Pilz in dem U-Ausschuss ein angeblich ÖVP-nahes Netzwerk im Innenministerium untersuchen. In dem anonymen Konvolut mit den Anschuldigungen geht es auch um angeblichen Machtmissbrauch mehrerer Spitzenbeamter im Innenressort unter ÖVP-Führung.
Die Zeugen
Insgesamt werden von September bis November 33 Auskunftspersonen geladen. Die erste Befragungsrunde sollte heute, Dienstag, starten, sofern keine zu lange Diskussion über die Geschäftsordnung begonnen wird. Damit kann faktisch jede Sitzung des U-Ausschusses in die Länge gezogen werden. Fragen stellen dürfen die zuständigen Mandatare aller Parteien, die Befragungszeit ist genau vorgegeben.
Den Anfang werden zwei BVTMitarbeiter machen. Der erste versah am Tag der Razzia Dienst in der Sicherheitszentrale und soll Fragen zum Vorgehen der EGS-Beamten beantworten. Der zweite Staatsschützer ist für die Opposition interessant, weil die Ermittler bei ihm zu Hause eine Razzia durchgeführt hatten. In einem Brief ans Justizministerium beschrieb er, dass er sich seit der Razzia im BVT „wie in einem Stasi-Krimi“fühle. Weiters wird ein EGS-Beamter geladen, der beschreiben soll, warum die EGS zum Einsatz kam und wie sie vorgegangen ist. Hatten etwa EGS-Beamte auch streng geheime Daten aus dem Staatsschutz in den Händen, wie die Opposition vermutet?
Auf der Zeugenliste finden sich auch prominente Namen. Etwa Innenminister Kickl, die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, oder ExInnenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Die Zeugen müssen vor dem U-Ausschuss die Wahrheit sagen. Bei Falschaussage drohen bis zu drei Jahre Haft. Die Aussage kann verweigert werden, wenn sie die Privatsphäre betreffen oder man sich selbst belasten würde.
Die Akten
Eine Streitfrage ist noch die Beschaffung der Akten für den U-Ausschuss. Laut der Opposition soll das Innenministerium bewusst Akten über die Razzia zurückhalten. So fehlt etwa die Korrespondenz zwischen der Polizeieinheit EGS und den Justizbehörden. Der Verfassungsgerichtshof wird demnächst darüber entscheiden, welche Daten noch nachgeliefert werden müssen.
Im Vorfeld des U-Ausschusses wurde kritisiert, dass das Innenministerium zu viele Unterlagen als „geheim“eingestuft hatte. Überhaupt könnte ein großer Teil des UAusschusses aufgrund der heiklen Thematik unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit stattfinden. Das soll eine Sitzung der Fraktionschefs der Parlamentsparteien bald klären.