Letzte Chance gegen das AKW
Österreich geht weiter gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point vor. Der Brexit könnte demnächst den Schlussstrich unter dem Rechtsstreit bringen.
Seit knapp vier Jahren müht sich Österreich juristisch ab, um den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C zu verhindern. Im Juli wies der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Klage ab, am Montag kündigte die Regierung nun an, Berufung einzulegen. Mit einer Entscheidung rechnet sie bis Jahresende.
Welche Tragweite das Urteil dann überhaupt noch hat, ist fraglich. Kommt es bei den Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens zu keiner Einigung, wäre ein „harter Brexit“die Folge. Damit wäre Großbritannien ab 29. März 2019 an keine EU-Regeln mehr gebunden – und auch an keine Urteile des EuGH.
Das Verhältnis der Briten zum EuGH wird spätestens dann wieder diskutiert, wenn die zukünftige Beziehung verhandelt wird. Die EUKommission drängt darauf, dass London den EuGH als Instanz anerkennt, die britische Regierung lehnt das aber ab. Möglicherweise könnte der EuGH auch ein Thema beim künftigen Freihandelsvertrag sein. Denn wenn die Briten am EUMarkt teilnehmen möchten, könnten sie sich wieder dem EU-Wettbewerbsrecht unterwerfen müssen.
Unter dieses fällt auch der Fall Hinkley Point. Der Bau des Atomkraftwerks wäre ohne eine gehörige staatliche Finanzspritze Großbritanniens nicht möglich. Der Staat garantiert dem Betreiber Électricité de France (EDF) über 35 Jahre stabile Einnahmen durch einen fixen Strompreis. Außerdem gibt es eine Bürgschaft für die Darlehen, die die Betreiberfirma zum Bau des neuen Reaktors aufnehmen musste.
Es ist unbestritten, dass es sich bei dieser Unterstützung um eine staatliche Beihilfe handelt. Und die ist laut dem Wettbewerbsrecht in der EU grundsätzlich verboten. Doch es gibt Ausnahmen: Die Mitgliedsländer dürfen Projekte beispielsweise staatlich fördern, wenn dies der besseren Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige dient. Auch Vorhaben von „gemeinsamem europäischen Interesse“können eine staatliche Beihilfe rechtfertigen. Aus österreichischer Sicht kann im Fall Hinkley Point aber keine Ausnahme gelten. Die Förderung von Atomkraft sei kein Ziel von „gemeinsamem“Interesse. Zudem handle es sich um eine alte Technologie, deren Entwicklung nicht mehr gefördert werden müsse.
Die EU-Kommission sieht das anders. Ihr obliegt die Entscheidung, ob eine staatliche Beihilfe gerechtfertigt ist oder nicht. Im Fall von Hinkley Point war sie der Ansicht, die Beihilfe sei in Ordnung, und genehmigte sie im Oktober 2014.
Seither beschäftigt das geplante AKW den Europäischen Gerichtshof. Österreich hat, mit Unterstützung von Luxemburg, Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission eingereicht. Auf deren Seite stellten sich neben Großbritannien auch Frankreich, Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei.
Die EU-Länder sind in der Frage der Atomkraft gespalten. Österreich gehört zu der Minderheit, die ganz strikt dagegen auftritt. Eine einheitliche Linie gibt es nicht, und die muss es auch nicht geben. In den EU-Verträgen heißt es explizit, die Mitgliedsstaaten können ihren Energiemix frei wählen.
Das betonte auch der EuGH, als er die Klage Österreichs im Juli abwies. Der Bau von Hinkley Point sei im gemeinsamen Interesse, weil der Ausbau der Energiekapazitäten in selbigem liege. „Das Ziel muss nicht unbedingt im Interesse aller Mitgliedsstaaten liegen“, urteilte der Gerichtshof. Auch das Argument, dass die Technologie des Kernkraftwerks Hinkley Point C nicht neu sei, ließ das Gericht so nicht gelten. „Die Vorschriften über staatliche Beihilfen verlangen keine Innovation.“Und die Technologie des neuen Kraftwerks sei fortschrittlicher als die des alten, das es ersetzen soll. Vier Jahre nach der Entscheidung der EU-Kommission sind die Argumente auf beiden Seiten dieselben. Das werden sie auch bei der Berufung sein, die Österreich angekündigt hat. Aber auf einige Punkte sei im Urteil einfach nicht eingegangen worden, so erklärt ein Sprecher von Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), warum die Regierung die Berufung trotzdem für aussichtsreich hält.