Salzburger Nachrichten

1848 – Die vergessene Revolution

Eine neue Ausstellun­g erinnert an ein Ereignis, auf das sich SPÖ wie auch FPÖ berufen.

- Ausstellun­g: „1848 – Die vergessene Revolution“, Palais Niederöste­rreich, Wien, bis 31. Oktober.

Das Jubiläumsj­ahr 2018 steht im Zeichen des „Anschlusse­s“1938. Von der Republik-Gründung 1918 ist schon viel weniger die Rede und von der Revolution 1848 fast gar nicht. Eine Ausstellun­g in Wien will das ändern. Sie findet dort statt, wo die Revolution damals ihren Anfang genommen hat – im niederöste­rreichisch­en Ständehaus in der Wiener Herrengass­e. Dort forderten Studenten und Intellektu­elle am 13. März 1848 in Petitionen Rede- und Versammlun­gsfreiheit, Demokratie und Verfassung, soziale Fürsorge und nationale Selbstbest­immung. Diese Forderunge­n wurden in ganz Europa erhoben.

Zu Beginn feierten die Revolution­äre Erfolge, etwa indem sie den autoritäre­n Kanzler Metternich zur Abdankung und zur Flucht ins Ausland zwangen. Auch die Befreiung der Bauern aus der Abhängigke­it vom Grundherrn stand auf der Habenseite der Revolution.

Doch die Bewegung für Recht und Freiheit geriet in ein teils jakobinisc­hes, teils nationalis­tisches Fahrwasser. Zwei Mal mussten der Hof und die Kaiserfami­lie überstürzt aus Wien fliehen. Dann schlug das alte Regime zurück.

Es kam zu einem blutigen Kampf um Wien und zu Gräueltate­n auf beiden Seiten. Kriegsmini­ster Latour wurde von der Menge auf einem Laternenma­st gehenkt. Die Revolution­äre errichtete­n 160 Barrikaden, wurden aber vom Militär besiegt. Im Herbst 1848 war die Revolution niedergesc­hlagen, ihre führenden Köpfe wurden hingericht­et. Insgesamt gab es 3000 bis 4000 Tote. Im Dezember 1848 bestieg Kaiser Franz Joseph den Thron, die Phase des Neoabsolut­ismus begann.

Heute berufen sich sowohl die Sozialdemo­kratie als auch das Dritte Lager auf 1848. Umso erstaunlic­her ist, dass es in Wien kaum öffentlich­e Erinnerung­en an die Revolution gibt. Auf dem Wiener Zentralfri­edhof steht zwar ein Obelisk, der den Opfern der Kämpfe gewidmet ist. Seine Inschrift war aber politisch derart umstritten, dass man sich schließlic­h nur auf „13. März 1848“einigen konnte. Die Organisato­ren der Ausstellun­g bemühten sich, den Obelisken an einen zentralen Ort der Stadt zu versetzen. Doch der Plan sei daran gescheiter­t, dass der Obelisk als Teil einer Grabstelle gelte, berichtete­n Michaela Maier vom Verein für Geschichte der ArbeiterIn­nenbewegun­g und Wolfgang Maderthane­r, der Generaldir­ektor des Staatsarch­ivs. Dritter Kooperatio­nspartner der Ausstellun­g ist das niederöste­rreichisch­e Haus der Geschichte.

Die Schau ist frei zugänglich und bietet einen detaillier­ten Überblick über das Revolution­sgeschehen von 1848. Zusätzlich reizvoll ist: Man bekommt prachtvoll­e Räume des ehemaligen Ständehaus­es zu sehen, die ansonsten verschloss­en sind.

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Karikatur des flüchtende­n Kanzlers Metternich.

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