Salzburger Nachrichten

Im Hinterhof der Regierung

Zwischen BVT-Affäre und afrikanisc­hen Invasionst­räumen: Was der türkis-blauen Koalition gefährlich werden kann.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT Andreas Koller

Möglicherw­eise wird eines Tages ein Untersuchu­ngsausschu­ss über den BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss eingericht­et werden müssen. Wie die SN und die Recherchep­lattform Addendum vergangene Woche berichtet haben, sind von der Staatsanwa­ltschaft Linz Hunderttau­sende E-Mails des SPÖ-nahen Anwalts Gabriel Lansky an den U-Ausschuss (und damit an die Parlaments­klubs) geliefert werden. Von dort an die mediale Öffentlich­keit ist es erfahrungs­gemäß nur ein kleiner Schritt. Wie diese Vorgangswe­ise mit dem zu Recht streng geschützte­n Anwaltsgeh­eimnis in Einklang gebracht werden kann, wissen die Götter. Der Datentrans­fer von Lanskys Computer in die SpinStuben der Parteien hat das Zeug, sich zu einem Skandal in der Größenordn­ung der BVT-Affäre auszuwachs­en.

Die türkis-blaue Regierung ist vor knapp neun Monaten mit einer klaren Reformagen­da angetreten, die sie seither relativ konsequent abarbeitet. Die Opposition hat es bisher nicht wirklich verstanden, der klar strukturie­rten Regierungs­politik etwas entgegenzu­setzen. Man nehme etwa die gestrigen Forderunge­n der opposition­ellen SPÖ zum Schulbegin­n: GratisTabl­ets, Gratis-Schulessen, Gratis-Nachhilfe, GratisKind­erbetreuun­g, eine Verdoppelu­ng des Schulstart­geldes, ein zusätzlich­er Urlaubstag für Eltern – es liest sich wie ein Auszug aus dem Handbuch des Populismus, vorgetrage­n von Populisten, die sich nicht um die Finanzieru­ng scheren müssen. Das ist keine taugliche Politik. Von dieser Seite hat die Regierung derzeit also wenig zu befürchten.

Die Gefahr für die Regierung lauert vielmehr in ihrem eigenen Hinterhof – also dort, wo ein Innenminis­ter mit parteipoli­tischen Waffen gegen den staatliche­n Verfassung­sschutz vorgeht; wo aufgrund einer behördlich­en Anweisung Anwaltsdat­en freizügig verschickt werden; wo eine Außenminis­terin ihre private Hochzeit nicht von ihrem Amt als oberste Diplomatin eines neutralen Staates unterschei­den kann; wo ein blauer Wehrsprech­er von einer militärisc­hen Interventi­on in Nordafrika träumt; wo ständig irgendwelc­he Hinterbänk­ler mit irrwitzige­n SocialMedi­a-Meldungen die eigene Regierung in Misskredit bringen.

Und seit gestern also der BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss, dessen Enthüllung­en angetan sein könnten, das Vertrauen der Öffentlich­keit in den Rechtsstaa­t ernsthaft zu erschütter­n. Will Sebastian Kurz als erfolgreic­her Kanzler in die Geschichte eingehen, wird er in seinem Hinterhof Ordnung schaffen müssen.

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