Im Hinterhof der Regierung
Zwischen BVT-Affäre und afrikanischen Invasionsträumen: Was der türkis-blauen Koalition gefährlich werden kann.
Möglicherweise wird eines Tages ein Untersuchungsausschuss über den BVT-Untersuchungsausschuss eingerichtet werden müssen. Wie die SN und die Rechercheplattform Addendum vergangene Woche berichtet haben, sind von der Staatsanwaltschaft Linz Hunderttausende E-Mails des SPÖ-nahen Anwalts Gabriel Lansky an den U-Ausschuss (und damit an die Parlamentsklubs) geliefert werden. Von dort an die mediale Öffentlichkeit ist es erfahrungsgemäß nur ein kleiner Schritt. Wie diese Vorgangsweise mit dem zu Recht streng geschützten Anwaltsgeheimnis in Einklang gebracht werden kann, wissen die Götter. Der Datentransfer von Lanskys Computer in die SpinStuben der Parteien hat das Zeug, sich zu einem Skandal in der Größenordnung der BVT-Affäre auszuwachsen.
Die türkis-blaue Regierung ist vor knapp neun Monaten mit einer klaren Reformagenda angetreten, die sie seither relativ konsequent abarbeitet. Die Opposition hat es bisher nicht wirklich verstanden, der klar strukturierten Regierungspolitik etwas entgegenzusetzen. Man nehme etwa die gestrigen Forderungen der oppositionellen SPÖ zum Schulbeginn: GratisTablets, Gratis-Schulessen, Gratis-Nachhilfe, GratisKinderbetreuung, eine Verdoppelung des Schulstartgeldes, ein zusätzlicher Urlaubstag für Eltern – es liest sich wie ein Auszug aus dem Handbuch des Populismus, vorgetragen von Populisten, die sich nicht um die Finanzierung scheren müssen. Das ist keine taugliche Politik. Von dieser Seite hat die Regierung derzeit also wenig zu befürchten.
Die Gefahr für die Regierung lauert vielmehr in ihrem eigenen Hinterhof – also dort, wo ein Innenminister mit parteipolitischen Waffen gegen den staatlichen Verfassungsschutz vorgeht; wo aufgrund einer behördlichen Anweisung Anwaltsdaten freizügig verschickt werden; wo eine Außenministerin ihre private Hochzeit nicht von ihrem Amt als oberste Diplomatin eines neutralen Staates unterscheiden kann; wo ein blauer Wehrsprecher von einer militärischen Intervention in Nordafrika träumt; wo ständig irgendwelche Hinterbänkler mit irrwitzigen SocialMedia-Meldungen die eigene Regierung in Misskredit bringen.
Und seit gestern also der BVT-Untersuchungsausschuss, dessen Enthüllungen angetan sein könnten, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Rechtsstaat ernsthaft zu erschüttern. Will Sebastian Kurz als erfolgreicher Kanzler in die Geschichte eingehen, wird er in seinem Hinterhof Ordnung schaffen müssen.