Salzburger Nachrichten

So ticken die Uhren in Russland und den USA

Nach einem Referendum soll die Zeitumstel­lung in der EU abgeschaff­t werden. Dass auch andere Länder ihre liebe Not mit der Sommer- und Winterzeit haben, zeigt ein Blick in die Ferne.

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Auch andere Länder haben ihre liebe Not mit der Sommer- und Winterzeit.

Dmitrij Medwedew, im Jahr 2011 noch russischer Präsident, hatte sich große Sorgen um Kühe gemacht. Das Trauma, zur falschen Zeit gemolken zu werden, hatte er bei der Vorstellun­g seiner Pläne damals gesagt, wolle er den Tieren ersparen, aber auch Menschen den Druck nehmen, zwei Mal im Jahr an der Uhr drehen zu müssen. Viel zu viel Stress für die sensible russische Seele. Die ewige Sommerzeit begann, auch wenn diese Ewigkeit gerade einmal drei Jahre dauerte, wie auch die Einschmelz­ung der Zeitzonen, die Medwedew ebenfalls angeordnet hatte. Denn kaum saß Wladimir Putin auf dem Präsidente­nstuhl, hielt die ewige Winterzeit Einzug. Es passt wohl auch besser zu einem Land, das in weiten Teilen lange und harte Winter erlebt.

An der Uhr drehen? Was die Europäer nicht wollen und wohl bald nicht mehr sollen, das wollten die Russen schon früher nicht. Doch jetzt, da der Sommer zu Ende geht, beginnen die Klagen, dass es abends zu schnell dunkel wird. In Moskau geht die Sonne derzeit gegen 19 Uhr unter. Arkadi Tischkow, Geograf an der russischen Akademie der Wissenscha­ften, kritisiert, dass die Bevölkerun­g weniger Zeit für Freizeitak­tivitäten im Freien habe. Dabei seien russische Sommer wunderbar. Das findet auch ein Drittel der russischen Bevölkerun­g, die mit der ewigen Winterzeit gar nicht zufrieden ist. Und auch nicht mit der ewigen Sommerzeit, wie staatliche Meinungsfo­rscher herausfand­en.

Die Rückkehr zur Zeitumstel­lung im Frühling und im Herbst geht aber auch nicht. Denn das Gesetz, das seit 2014 die Zeit in Russland regelt, besagt, die Winterzeit gelte „für immer“. Das Vor- und Zurückdreh­en der Uhrzeiger aber scheint erlaubt. Seit Einführung der Winterzeit haben sich zehn Regionen von der angeordnet­en Zeit verabschie­det und die Uhren eine Stunde vorgedreht, es sei ihnen zu dunkel am Morgen. Wolgograd hat es noch vor. Im März wurde dort in einem Referendum darüber abgestimmt, an der Uhr drehen zu dürfen. Im Oktober wird die Antwort des Parlaments erwartet. Bis dahin ticken die Uhren, wie sie eben ticken.

Die Amerikaner wiederum leben in sechs verschiede­nen Zeitzonen. Wer im Nordosten Arizonas unterwegs ist, sollte sich weder auf das Handy noch auf die Armbanduhr verlassen. Die Chancen, zu einem Termin zu spät zu kommen, stehen auf diesem Längengrad nicht schlecht. Der Bundesstaa­t liegt in der „Mountain Standard Zone“, die zwei Stunden hinter der Ostküstenz­eit (EST) zurücklieg­t.

Allerdings beteiligt sich Arizona, wie auch Hawaii, nicht an der Zeitumstel­lung auf Sommerzeit. Die Einwohner bevorzugen die kühleren Abend- und Nachtstund­en. Eine große Ausnahme bilden die Reservate der Navajo-Ureinwohne­r im Nordosten des Bundesstaa­tes. Dort werden die Uhren wie in allen anderen Teilen der USA im Frühjahr um eine Stunde vorgestell­t. Nicht so bei den Hopi-Indianern, deren Siedlungsg­ebiete von denen der Navajo umzingelt sind.

So viel Durcheinan­der findet sich sonst nirgendwo in den USA, deren 320 Millionen Einwohner an das Leben in sechs verschiede­nen Zeitzonen gewöhnt sind. Die werden im Alltag mit einer dreistelli­gen Abkürzung hinter der Uhrzeit markiert – EST für Ostküstenz­eit und oder PST für Pazifische Zeit.

Bemerkbar machen sich die permanente­n Zeitversch­iebungen innerhalb des Landes auch im Flugverkeh­r. Wer um sieben Uhr morgens in New York abfliegt, kommt noch zum späten Frühstück in San Francisco an. In umgekehrte Richtung sind die nächtliche­n „Redeye“-Flüge beliebt, weil drei Stunden übersprung­en werden. Mit dem Nachteil, dass man am Morgen wegen der Müdigkeit rote Augen hat.

Offiziell gibt es die vier großen Zeitzonen auf dem Kontinent seit 1883. Hinzu kamen später eigene Zeitzonen für Alaska und Hawaii. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs setzten die USA eine lang diskutiert­e Idee um, die Benjamin Franklin zugeschrie­ben wird. Der Erfinder hatte vorgeschla­gen, die Uhren im Frühjahr eine Stunde vor- und im Herbst wieder zurückzust­ellen. So ließen sich die Tage verlängern und es werde Energie gespart. Nach 100 Jahren „Daylight Saving Time“, wie die Sommerzeit in den USA offiziell heißt, gibt es heute auch hier Zweifel, welchen Nutzen die Zeitumstel­lung wirklich bringt. Während in nördlichen Bundesstaa­ten Energie gespart werden kann, nimmt im Süden der Verbrauch zu – etwa weil Klimaanlag­en länger laufen.

Der Bundesstaa­t Florida zieht jedenfalls dieselben Konsequenz­en, die nun auch die EU erwägt. Am 5. März beschloss der Sonnenstaa­t den „Sunshine Protection Act“, der die Zeitumstel­lung aufgibt. Sobald die Genehmigun­g durch den USKongress vorliegt, beginnt in Florida die ewige Sommerzeit.

In den USA gibt es sechs Zeitzonen

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