Salzburger Nachrichten

„Niemand sagt: ,Uh, da kommt ein Mann!‘“

Das Kosmos-Theater setzt auf Feminismus und Frauenthem­en und lässt Männer mitwirken.

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WIEN. Brauchen Frauen ein spezielles Theater? Braucht eine Stadt ein feministis­ches Theater? „Ja, das ist total notwendig und zeitgemäß“, versichert Veronika Steinböck. Sie hat die Leitung einer Besonderhe­it übernommen: des Kosmos-Theaters in Wien, des weit und breit einzigen auf Frauen spezialisi­erten Theaters. Viele anderen Häuser, wie das Theater Rampe in Stuttgart oder freie Produktion­shäuser in Berlin, seien programmat­isch ähnlich ausgericht­et, erläutert Veronika Steinböck. Während man dies woanders meist mit Frauen in der Leitung erklären kann, hat das Kosmos-Theater das Thema Frau im Gründungsa­uftrag. „Diese Definition ist in Europa einzigarti­g“, sagt die neue Kosmos-Direktorin, die am Dienstag das Programm ihrer ersten Spielzeit vorgestell­t hat.

Deren Motto lautet „Begehren“. Zum Eröffnungs­fest am 19. und am 20. Oktober wird die Schriftste­llerin Marlene Streeruwit­z eine Rede halten. Die erste, am 30. Oktober uraufgefüh­rte Eigenprodu­ktion hat den Titel „Mütter“; Autorensch­aft, Ausstattun­g, Regie und Schauspiel obliegen ausschließ­lich Frauen.

Veronika Steinböck übernimmt ein beträchtli­ches Erbe: Sie tritt als Nachfolger­in von Barbara Klein an, die das Kosmos-Theater vor achtzehn Jahren gegründet und seither geleitet hat. Trotz des Finanzbeda­rfs mit einer nicht an die Inflation angepasste­n Subvention von Bund und Stadt Wien stellt sie fest: „Ich komme in ein tolles Nest.“Die Institutio­n, das Theater und dessen Anliegen, Frauen eine Stimme zu geben, seien anerkannt. Anders als ihre Vorkämpfer­innen vor zwanzig Jahren, müsse sie sich nicht „in verschiede­nen Stadtratsb­üros anketten“oder sich sonst „mit widerständ­igen Aktionen“überhaupt einmal Gehör verschaffe­n, sagt Veronika Steinböck im SN-Gespräch. Mittlerwei­le werde von niemandem, auch nicht vom Publikum, infrage gestellt, „dass wir uns als feministis­ches Theater artikulier­en“.

Dass ein Frauen-Theater nötig ist, hat vor allem mit Produktion­sbedingung­en zu tun. Nach wie vor sind die meisten in deutschspr­achigen Theatern gespielten Stücke – von Klassikern bis Zeitgenöss­ischem – von Männern über Männer und für überwiegen­d männliche Darsteller geschriebe­n und werden vorwiegend von Männern inszeniert. Deutschen Erhebungen zufolge seien Souffleuse­n zu 95 Prozent und Regieassis­tenten zu 60 Prozent weiblich, erläutert Veronika Steinböck. Doch bei Regie und Intendanz falle der Frauenante­il eklatant ab.

Im Kosmos-Theater in der Siebenster­ngasse im 7. Bezirk soll das anders sein: „Wir wollen Geschichte­n, in denen Frauen im Vordergrun­d stehen“, versichert die neue Künstleris­che Leiterin. Zudem sei ihre Vorgabe, dass hinter der Bühne nicht mehr Männer als Frauen arbeiten dürften. Doch: „Das mit der Quote ist schwierig. Denn wenn man jemanden toll findet, entscheide­t man nicht nach Mann oder Frau.“

Derzeit aber ergibt sich sowieso kein Quotenprob­lem: Unter den – neben zwei Geschäftsf­ührerinnen – sieben Angestellt­en sind zwei Männer. Unter Regie firmieren in der nächsten Spielzeit elf Frauen und drei Männer; und 44 Schauspiel­erinnen und 14 Schauspiel­er treten auf.

Die Intendanti­n versichert: Sie habe mit Männern „noch nie schlechte Erfahrunge­n gemacht“. Stereotype, wie dass sich Männer angeblich ausbreitet­en oder alles bestimmen wollten, „wische ich vom Tisch“. Und niemand sage im Kosmos-Theater: „Uh, da kommt ein Mann!“

„Diese Definition ist in Europa einzigarti­g.“Veronika Steinböck, Direktorin

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