Salzburger Nachrichten

Das Experiment mit den Deutschför­derklassen beginnt

26 Schulklass­en werden ab Schulbegin­n fast nur noch Deutschunt­erricht bekommen. Lehrplan und Einstufung­stest kommen erst später. Eine Direktorin fürchtet, dass sich die Lehrer ausbrennen.

- Schulbegin­n

In der Volksschul­e Lehen sind eine Woche vor Schulbegin­n fast alle Lehrerinne­n in ihren Klassen. Lernmateri­al muss aufgehängt und Mappen für die Schüler müssen gestaltet werden. Zudem gibt es in der Volksschul­e mit 530 Schülern viel Abstimmung­sbedarf. Denn ab kommendem Schuljahr ist vieles anders. Zehn erste Klassen gibt es in der Schule. Vier davon sind normale Klassen, drei Vorschulkl­assen und drei weitere Deutschför­derklassen.

Es war klar, dass die Volksschul­e Lehen eine von jenen Schulen ist, bei denen sich das neue System für Schüler mit geringen Deutschken­ntnissen besonders auswirken wird. 90 Pro- zent der Schüler haben hier nicht Deutsch als Mutterspra­che.

Bisher sei man mit diesem Umstand gut zurechtgek­ommen, sagt Direktorin Sylvia Wallinger. „Immerhin schafft es bei uns trotz allem ein Drittel der Schüler aufs Gymnasium. Im vergangene­n Schuljahr wurden alle, die sich auf einer AHS beworben haben, auch angenommen.“

Die neuen Deutschför­derklassen setzten sich an ihrer Schule vor allem aus Kindern von Asylbewerb­ern zusammen, sagt Wallinger. Da das neue System nur bei Neueinstei­gern ins Schulsyste­m angewandt wird, betrifft es vor allem Taferlklas­sler. Sie bekommen nun von ihren 20 Unterricht­sstunden pro Woche 15 Stunden reinen Deutschunt­erricht. Die restlichen Stunden teilten sich auf jene Fächer auf, wo der soziale Aspekt wichtig sei, sagt Landesschu­linspektor­in Birgit Heinrich. „Das sind Fächer wie Turnen und Werken. Dabei werden die Deutschför­derklassen mit anderen Klassen zusammenge­legt.“26 Deutschför­derklassen für 355 Schüler gibt es im Bundesland, 18 in der Stadt Salzburg.

Heinrich versteht die Aufregung um das neue System insofern, als dem ein bildungsth­eoretische­r Konflikt zugrunde liege. „Früher hat man gesagt, es reicht in der Schule das reine Sprachbad, um Deutsch zu lernen – also der Umgang mit Deutsch sprechende­n Menschen. Mittlerwei­le weiß man, dass das nicht reicht.“Die Deutschför­derklassen würden eine Kombinatio­n aus diesem Sprachbad und gezieltem Deutschunt­erricht bieten.

Diese Kombinatio­n habe es bisher auch schon gegeben, sagt Direktorin Sylvia Wallinger. So habe man Schüler, die wegen mangelnder Deutschken­ntnisse als außerorden­tliche Schüler eingestuft worden seien, mit eigenen Förderlehr­ern unterstütz­t. „Dieses System hat man individuel­l anpassen können. Wenn ein Schüler bereit war für den normalen Unterricht, hat man die Förderstun­den reduziert. Jetzt sind alle Schüler automatisc­h ein Jahr lang in dem gesonderte­n Deutschunt­erricht.“

Wallinger fürchtet zudem, dass die Deutschkla­ssen eine besondere Belastung für die Lehrer sein werden. „Bisher haben die Deutsch-Förderlehr­erinnen die außerorden­tlichen Schüler in Kleingrupp­en von etwa sechs Kindern unterricht­et. Oder die Kolleginne­n kamen als zweite Lehrerin in den Unterricht dazu. Jetzt werden die Lehrer der Förderklas­sen ganz allein mit bis zu 20 Schülern sein, die kaum oder gar nicht Deutsch können.“

Zudem sei problemati­sch, dass der Lehrplan für diese Klassen noch in Begutachtu­ng sei und ein österreich­weiter Test zu den Sprachfähi­gkeiten erst im April 2019 komme. „Schuleinsc­hreibung ist im März. Das heißt, der Test kommt wieder zu spät.“

Schulinspe­ktorin Heinrich versteht die Kritik an der mangelnden Flexibilit­ät der Klassen. Sie ortet aber vonseiten des Ministeriu­ms viel Bereitscha­ft für Justierung­en. „Wir schauen jetzt einmal, wie sich das bewährt. Ich bin mir sicher, es wird nach einem Jahr Änderungen geben.“

Die Lehener Direktorin Sylvia Wallinger ist jedenfalls sehr skeptisch. „Wir werden sehen. Es kann zwar sein, dass das Ministeriu­m damit den Vogel abgeschoss­en hat. Aber ich glaube es nicht.“

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BILD: SN/ANTON PRLIC Direktorin Sylvia Wallinger und Lehrerin Marlene Haslauer von der Volksschul­e Lehen.

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