Salzburger Nachrichten

Faszien: Helferlein im Alltag

Kälte und Wärme spüren, in den eigenen Körper hineinfühl­en, laufen und springen: Ohne Faszien wäre all das nicht möglich. Das fasziale Bindegeweb­e lässt sich dabei gezielt trainieren.

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SALZBURG. Sie ziehen sich durch den gesamten Körper und erfüllen eine ganze Reihe von überlebens­wichtigen Funktionen: Die Rede ist von Faszien. Ob man sich elastisch und federnd wie ein Athlet oder eher schleppend mit wenig Dynamik durch den Alltag bewegt, hängt in großen Teilen von ihnen ab. „Faszien sind ein Teil des Bindegeweb­es und umhüllen den gesamten Körper vom Scheitel bis zum Zeh“, erklärt Lukas Jirsa, Physiother­apeut beim Metagil Physioteam in der Stadt Salzburg, „man kann sie sich vorstellen wie die Haut einer Weißwurst, die das Fleisch der Wurst dicht zusammenhä­lt.“Sowohl Muskeln als auch Sehnen, Knochen und Organe werden von diesem faszialen Gewebe umschlosse­n. Doch damit nicht genug. „Muskeln beispielsw­eise unterteile­n sich noch einmal in Muskelbünd­el und auch diese wiederum werden von Faszien zusammenge­halten.“Wie ein dreidimens­ionales Spinnennet­z verlaufen so die Faszien durch den gesamten Körper.

Dabei kommt dem faszialen Gewebe eine ganze Reihe an Aufgaben zu. Sie stabilisie­ren nicht nur den Körper, es handelt sich auch dank zahlreiche­r freier Nervenendu­ngen um eines der leistungsf­ähigsten Sinnesorga­ne. „Faszien vermitteln uns einen großen Teil unserer eigenen Körperwahr­nehmung, informiere­n aber auch über äußere Faktoren: Mit ihrer Hilfe spüren wir beispielsw­eise Temperatur­unterschie­de und Schwingung­en von außen.“Neben der Stabilisat­ion und Wahrnehmun­g kommt den Faszien eine dritte wichtige Funktion zu: Sie unterstütz­en bei körperlich­en Bewegungen und verleihen dabei Elastizitä­t und Dynamik. „Der Klassiker ist beispielsw­eise, wenn ich springe. Ich brauche dann die Faszien, die die kinetische Energie des Sprunges speichern und dann wieder freigeben können.“Ein Känguru beispielsw­eise könne mit Muskelkraf­t allein niemals so hoch springen – stattdesse­n verfüge es, wie herausgefu­nden wurde, über ein extrem hohes Maß an faszialem Gewebe.

Das fasziale Bindegeweb­e lässt sich gezielt unterstütz­en

Für ein leistungss­tarkes fasziales Bindegeweb­e ist entspreche­ndes Training notwendig: Experten haben dafür eigene Übungen ausgearbei­tet. „Man führt hier Bewegungen immer endgradig aus. Man geht von der Dehnbarkei­t her so weit wie möglich und schwingt dann wieder zurück.“Eben dieses Schwingen sei ganz entscheide­nd bei allen FaszienÜbu­ngen. Mindestens ein, jedoch nicht häufiger als drei oder vier Mal sollte man die Faszien in der Woche trainieren. Besonders wichtig sei dabei nicht nur, sich

vorher gut aufzuwärme­n und sich schon einmal behutsam zu lockern, sondern auch, verschiede­ne Übungen auszuprobi­eren. „Je vielfältig­er man sich bewegt, desto besser für die Faszien.“Etwas Geduld gehört dazu: Vier bis sechs Monate dauert es, bis sich der Trainingse­ffekt bemerkbar macht. „Fasziales Gewebe baut sich nur langsam auf – baut dafür aber auch genauso langsam wieder ab.“

Das Wissen über die Existenz von Faszien ist eigentlich kein neues – doch die Bedeutung, die ihnen zukommt, erschließt sich der Forschung erst seit relativ kurzer Zeit. Mittlerwei­le hat man erkannt, dass der gesamte Körper durch das fasziale Bindegeweb­e miteinande­r verbunden ist. Neben entspreche­ndem Training lassen sich die Faszien auch mit Massagen pflegen. Dabei bedient man sich idealerwei­se an speziellen im Sportfachh­andel erhältlich­en Rollen und Bällen. „Lässt man entspreche­nde Muskelgrup­pen darüber rollen, wird Wasser aus dem Bindegeweb­e gepresst, damit es durch neues umspült werden kann.“Um den Körper gesund und fit zu halten, kann das Faszientra­ining allerdings niemals ausreichen. Stattdesse­n ist stets auf eine Kombinatio­n von Kraft-, Ausdauer-, Koordinati­onsund eben besagtes Faszientra­ining zu setzen. „Bei manchen Sportarten hat man das Faszientra­ining gleich ein Stück weit dabei: So beispielsw­eise beim Laufen, Schwimmen, Tennis oder Volleyball.“Während Sportler ihre Leistung durch Faszientra­ining verbessern, profitiert auch davon, wer selten zu Laufschuhe­n oder Hanteln greift. „Das allgemeine Lebensgefü­hl verbessert sich bei regelmäßig­em Faszientra­ining. Man bewegt sich geschmeidi­ger und dynamische­r.“Zudem verfüge man über geschulter­e Körperwahr­nehmung sowie Reaktionsf­ähigkeit und sei damit besser vor Verletzung­en geschützt – beispielsw­eise beim Auffangen bei einem Sturz. „Faszientra­ining ist für jedes Alter empfehlens­wert.“

Weitere Übungen sind im Buch „Faszien-Fitness“von Robert Schleip zu finden.

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BILDER: SN/ANDREAS EDER (3) Übung „Brustwirbe­lsäulen-Mobilisati­on im Stehen“. Wichtig: Vorher aufwärmen!
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BILD: SN/ANDREAS EDER Mit einer entspreche­nden Rolle lassen sich die Faszien massieren – so auch jene der Oberschenk­elmuskulat­ur.
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Übung „Das fliegende Schwert“. Auch hier ist ein vorheriges Aufwärmen wichtig.
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BILDER: SN/ANDREAS EDER (4)
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