Salzburger Nachrichten

BVT-Razzia öffnete riesige Sicherheit­slücke

Heikle Dokumente wurden „im Plastiksac­kerl“abtranspor­tiert, berichtet ein Zeuge.

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Die Sicherung hochsensib­ler Daten, die bei der Razzia im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) beschlagna­hmt wurden, sei „mehr als fahrlässig“vonstatten­gegangen.

Dies berichtete ein Zeuge vor dem parlamenta­rischen BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss. Datenträge­r mit heiklen Informatio­nen seien „im Plastiksac­kerl“abtranspor­tiert worden statt in speziellen Behältniss­en. Auch sei nicht dokumentie­rt worden, von wem welche Daten transporti­ert worden seien. Polizisten hätten außerdem Zugang zu geheimen Akten gehabt.

Diese Vorgangswe­ise bei der Hausdurchs­uchung hat, wie sich bei den Befragunge­n im U-Ausschuss herausstel­lte, zu erhebliche­m Vertrauens­verlust bei ausländisc­hen Partnerdie­nsten geführt, wie interne Briefwechs­el zeigen.

Selbst der ehemalige Chef der Spionageab­wehr soll es mit klassifizi­erten Dokumenten nicht so genau genommen haben, wirft ihm die Opposition im U-Ausschuss vor. Er soll geheime Dokumente zu Hause aufbewahrt haben. Laut seiner Aussage wollte er von zu Hause arbeiten, um seine Kinder zu pflegen. Er verlor den Job trotzdem.

Für Aufregung sorgten im U-Ausschuss auch Mitarbeite­r von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), die sich als Journalist­en ausgegeben haben sollen und den Auskunftsp­ersonen lauschten.

Schicht für Schicht legt der parlamenta­rische U-Ausschuss die Geheimdien­starbeit Österreich­s frei. Und mit jeder Schicht wird klarer, wie sehr diese Arbeit spätestens seit der umstritten­en Hausdurchs­uchung Ende Februar auf der Kippe steht. Grund dafür dürfte die teilweise Beschlagna­hme von hochsensib­len Daten sein.

Zur Erinnerung: Die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft führte Ende Februar mithilfe einer Polizeiein­heit eine Hausdurchs­uchung im Hauptquart­ier des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) durch. Der Verdacht lautete, dass BVT-Beamte Daten nicht wie gerichtlic­h vorgegeben gelöscht und Datenmissb­rauch begangen hätten. Ein Journalric­hter hatte in der Nacht zuvor die Razzia genehmigt. Die Begründung lautete: Gefahr im Verzug. Die Behörden befürchtet­en, dass die verdächtig­ten BVT-Beamten die Daten löschen könnten, auch von zu Hause aus. IT-Experten aus dem Verfassung­sschutz beteuern, dass dies gar nicht möglich sei. Die Razzia wurde mittlerwei­le gerichtlic­h für illegal erklärt. Die Opposition sieht in der Razzia einen Versuch des Anpatzens des aktuellen BVT-Direktors Peter Gridling durch den neuen Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ).

Fest steht, dass durch die Polizeiakt­ion im BVT eine Sicherheit­slü- cke in einem der sensibelst­en Bereiche des österreich­ischen Sicherheit­sapparats aufgerisse­n wurde. Immerhin werden im BVT Informatio­nen über Extremiste­n, internatio­nale Terroriste­n, Spitzel, verdeckte Ermittler und ausländisc­he Spione gesammelt. Schon am Dienstag schilderte der Sicherheit­sbeamte, der in der fraglichen Nacht am Tor des BVT-Hauptquart­iers Dienst versah, dass sich die zwecks Durchsuchu­ng erschienen­en Polizisten mit einem Trick eingeschli­chen hätten. Sie hätten das Tor blockiert und sich den Zugriff zu einem Generalsch­lüssel erzwungen. „Ich kann Ihnen kein Szenario schildern, welche Auswirkung­en das auf die Sicherheit Österreich­s hat. Aber die Sicherung der Daten war mehr als fahrlässig“, erklärte ein BVT-Beamter vor dem Ausschuss am Mittwoch.

Wie sehr die Razzia bei befreundet­en ausländisc­hen Partnerdie­nsten für Verunsiche­rung sorgt, zeigte ein offizielle­r Brief an den BVTDirekto­r Peter Gridling, aus dem im U-Ausschuss zitiert wurde. Darin wird festgehalt­en, dass nach der Razzia dem BVT der Rausschmis­s aus einem internatio­nalen Zusammensc­hluss von mehreren Geheimdien­sten droht, der sogenannte­n Berner Gruppe. Bisher hatten sowohl Peter Gridling als auch Innenminis­ter Herbert Kickl erklärt, dass die Kooperatio­n zwischen ausländisc­hen Geheimdien­sten und dem BVT keinen Schaden genommen habe.

Der Austausch von heikler Informatio­n beruhe in der Welt der Geheimdien­ste nicht auf rechtliche­n Abkommen, sondern auf Vertrauen, erklärte eine Spitzenjur­istin des BVT den Abgeordnet­en.

Ein gewisser Reputation­sschaden sei durch die Razzia sicherlich entstanden, erklärte sie weiter. Einer ihrer Kollegen drückte es drastische­r aus: „Das BVT hat großen Schaden genommen“, erklärte bereits am Dienstag ein IT-Experte aus dem BVT und berief sich dabei auf ein Gespräch mit einem Kollegen, der mit befreundet­en Geheimdien­sten in Kontakt steht. „Er hat mir erzählt, dass die Informatio­nen im Moment eher oberflächl­ich sind, als würde man übers Wetter sprechen.“

Aber auch im BVT soll man es mit dem Datenschut­z nicht so genau genommen haben. Der Leiter der Spionageab­wehr mit guten ÖVPVerbind­ungen soll laut einem Ermittlung­sakt der Staatsanwa­ltschaft geheime Dokumente von seinem privaten E-Mail-Account verschickt und zu Hause aufbewahrt haben. Der ehemalige BVT-Abteilungs­leiter nannte den Vorwurf „absurd“, denn: „Auch andere Mitarbeite­r haben von zu Hause gearbeitet. Das war nicht nur geduldet, sondern gewünscht.“Er ist mittlerwei­le seinen Job los und bestreitet alle Vorwürfe.

Zurück zur Aufarbeitu­ng der Razzia: Laut dem ehemaligen Abteilungs­leiter sollen „drei bis fünf“Beamte bei der Razzia in seinem Büro ohne Aufsicht gewesen sein und geheime Akten gesichtet haben. Das ist brisant. Der Verdacht, dass die Polizisten einer Einheit, die unter Führung eines Kommandant­en ist, der FPÖ-Lokalpolit­iker ist, Zugang zu geheimen Daten hatten, war mit ein Grund für den U-Ausschuss.

Den Staatsschu­tzexperten stößt nicht nur die Beschlagna­hme der Akten an sich sauer auf, sondern ebenso, wie mit den sensiblen Daten umgegangen wurde. So sollen heikle Informatio­nen im Plastiksac­kerl abtranspor­tiert worden sein.

Ein BVT-Beamter erklärte, wie eine solche Beschlagna­hme eigentlich vonstatten­gehen müsste: „Datenträge­r werden verschloss­en transporti­ert.“Es müsse durchgängi­g nachvollzi­ehbar sein, von wem sie wann für wie lang wohin transporti­ert würden, Unterlagen würden immer beschrifte­t und dokumentie­rt. „Das alles war laut meiner Wahrnehmun­g nicht der Fall.“

Wie hätte die Staatsanwa­ltschaft dann sonst Beweismitt­el gegen BVT-Beamte sichern sollen? „Über ein Amtshilfeg­utachten, wie sonst auch üblich“, so die BVT-Juristin.

„Sicherung der Daten war mehr als fahrlässig.“BVT-Beamter über die Razzia

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BILD: SN/REDPIXEL - STOCK.ADOBE.COM Bis heute ist unklar, welche Daten genau Ende Februar im BVT beschlagna­hmt wurden.

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