Salzburger Nachrichten

Österreich­s halbwilder Kurs bei der Digitalisi­erung

Es muss etwas geschehen, etwas Digitales, Hauptsache, jetzt und sofort.

- Thomas Hofbauer THOMAS.HOFBAUER@SN.AT

„Ich hab zwar ka Ahnung, wo ich hinfahr’, aber dafür bin ich g’schwinder dort!“, sang Helmut Qualtinger. „Der Halbwilde“hieß das Lied, das man auch als Metapher für Österreich­s Digitalstr­ategie nehmen kann. Doch damit soll jetzt Schluss sein, verkündete die Regierung, seit sie auf einer Asien-Reise erlebt hat, was Digitalisi­erung kann – und vermutlich auch, wie sehr Österreich mittlerwei­le ins Hintertref­fen geraten ist. „Wir sind nämlich immer für’s Moderne, jeder muß sich heut’ digitalisi­er’n“, hat man Qualtinger noch im Ohr. Die Regierung schüttelt unterdesse­n eine Idee nach der anderen aus dem Ärmel.

Die Digitalisi­erung der Schulen war die erste. Tablets für alle Schüler, Fortbildun­g für Lehrer, Digitalisi­erung der Klassenzim­mer, das kennt man noch aus Zeiten der SPÖ-ÖVP-Koalition. Damit etwas Neues daraus wird, fasst man die „zahlreiche­n Einzelinit­iativen und Projekte“zu einem „Masterplan Digitalisi­erung“zusammen. Wie und in welcher Art digitale Inhalte und Instrument­e in den Unterricht einfließen, ist laut Ministeriu­m allerdings „noch nicht abschließe­nd geklärt“. Daher ein rasender Themenwech­sel.

Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ) zeigte sich nämlich zuversicht­lich, dass er den Ausbau des schnellen Internets vorantreib­en kann. Ziel sei es, bis 2020 flächendec­kend 100 Mbit/s zur Verfügung zu stellen. Ob dem Herrn Minister geläufig ist, dass die aktuelle Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit laut „RTR Internet Monitor“bei 18 Mbit/s liegt und dass ein echter Breitbanda­usbau Ergebnis jahrelange­r Planungsun­d Bauarbeite­n ist? 1,1 Prozent der Haushalte haben in Österreich Glasfaser, in der EU sind es durchschni­ttlich 13,9 Prozent, in Japan und Südkorea 75 Prozent. Egal, das nächste Thema drängelt.

Österreich soll beim Mobilfunk der fünften Generation zu einem echten Vorreiter werden – und dies über die EU hinaus. Denn man wolle Smart Citys, autonomes Fahren, Industrie 4.0, Smart Environmen­t, kurz: alles, was an schönen neuen Begrifflic­hkeiten seit Jahren über den Atlantik schwappt.

Bleibt die Frage, was zwischen den Schlagwort­en die Strategie ist. Ein Tablet im Klassenzim­mer, auf dem man ein digitalisi­ertes Schulbuch liest, sicher nicht. Und Internet, das zwar auf dem Papier eine Rennmaschi­ne, in der Praxis aber ein Moped ist, weil die Kapazitäte­n im Hintergrun­d fehlen, auch nicht.

Eine Digitalisi­erungsstra­tegie beginnt dort, wo wir unser eigenes digitales Ding entwickeln. Digitalisi­erung ist niemals das Ziel, sondern immer nur das Mittel, etwas Neues zu tun. Und dazu brauchen wir kreative, selbststän­dig und analytisch denkende Persönlich­keiten und keine Tablet-Wischer.

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