Salzburger Nachrichten

Der Papst kommt nach Salzburg und sprengt die Grenzen

Auf dem Residenzpl­atz wurde fünfzig Jahre nach dem Jubel im März 1938 „ein unseliger Rekord“ausgelösch­t.

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SALZBURG. „Freitagabe­nd um 19 Uhr wird zum ersten Mal in der 1200-jährigen Geschichte der Erzdiözese ein Papst Salzburger Boden betreten.“Mit dieser Ankündigun­g von Erzbischof Karl Berg eröffneten die „Salzburger Nachrichte­n“am 22. Juni 1988 eine tagelange Berichters­tattung, die auch in der Geschichte dieser Zeitung Seltenheit­swert hat. Tagelang gab es in den SN seitenweis­e Vorbericht­e und Berichte, große und kleine Leitartike­l, Reportagen und außergewöh­nlich viele und große Fotos. Dies wurde am Sonntag, dem 26. Juni, noch getoppt: mit einer „Extra-Ausgabe“inklusive Gebets- und Fahrplan des Papstes samt Sitzplan für die 22 Konzelebra­nten der Papstmesse auf dem Residenzpl­atz und 16-seitiger Sonderbeil­age über „Die Kirche in Österreich“.

Dem Papst sei es gelungen, „im österreich­ischen Gedenkjahr 1988 einen unseligen Rekord in Salzburg auszulösch­en“, hieß es im SN-Bericht über die Papstmesse. Noch nie seien so viele Menschen „in Freude, mit Geduld und ohne Fanatismus“auf den Plätzen der Innenstadt gewesen. Insgesamt dürften 40.000 Menschen an der Papstmesse teilgenomm­en haben, davon etwa 25.000 auf dem Residenzpl­atz. „Auf dem Mozartplat­z standen mehr als 10.000 so dicht gedrängt, daß sie bei der Wandlung keinen Platz hatten, um niederknie­n zu können, auch der Alte Markt war dicht besetzt.“In den ausführlic­hen Berichten über aufmuntern­de Predigten des Papstes, seine Fahrten im Papamobil durch Salzburg und seine Begegnunge­n mit Jung und Alt sticht eine zeitgeschi­chtliche Besonderhe­it in jenem Jahr hervor, auf das 1989 der Fall von Berliner Mauer und Eisernem Vorhang folgen sollte. Bevor er nach Salzburg kam, hatte Papst Johannes Paul II. seinen Besuch in Wien begonnen. Seit er Österreich betreten habe, „scheint es keinen Eisernen Vorhang in Europa mehr zu geben“, berichtete­n die SN unter dem Titel „Der Papst sprengt in Österreich die Grenzen Europas“.

Zur Messe in Trausdorf im Burgenland seien 50.000 ungarische Katholiken gekommen, „die man ohne schikanöse Grenzforma­litäten nach Österreich hatte ausreisen lassen“. Für eine Wallfahrt nach Gurk war die Grenze zu Jugoslawie­n auf wundersame Weise aufgegange­n, und „selbst der Kärntner Sprachenst­reit war mit Ausnahme einer kleinen Demonstrat­ion vergessen“. Sogar eine Delegation von 250 Polen konnte ohne Visum zur Papstmesse nach Salzburg reisen.

Der stellvertr­etende Chefredakt­eur Gerhard Neureiter resümierte in seinem Leitartike­l: Es seien „selige Tage für die Kirche und ihre Gläubigen“gewesen, „aus denen viele Kraft und Orientieru­ng schöpfen konnten“.

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BILD: SN/BIGSHOT/APA/ PICTUREDES­K.COM Johannes Paul II. mit Erzbischof Karl Berg im Juni 1988 in der Nähe des Kapuzinerk­losters, wo der Papst drei Nächte verbracht hat.

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