Bei Kodak macht es wieder klick
Kodak gilt als Paradebeispiel für den Fall eines Technikpioniers. Nun will sich der Fotokonzern zurückkämpfen. Was Kodak in den vergangenen Jahren falsch gemacht hat. Und was andere Unternehmen daraus lernen können.
BERLIN. Februar 1997: Die Kodak-Aktie hat mit rund 95 Dollar sein Allzeithoch erreicht. Und das Wertpapier wird als zukunftsträchtig eingestuft. Schließlich ist Kodak nicht nur die Nummer eins bei analoger Fotografie, sondern hat auch die erste Digitalkamera erfunden.
Jänner 2012: Die Kodak-Aktie ist weniger als einen Dollar wert. Wenig später muss der Konzern den Insolvenzantrag stellen. Schuld ist hauptsächlich die eigene Innovation: Kodak hatte zwar die Digitalfotografie mitentwickelt, aber den Trend zu wenig gepflegt.
Kodak gilt seit jeher als Paradebeispiel dafür, wie weit selbst Unternehmensriesen von der digitalen Welle weggeschwemmt werden können. Doch Kodak versucht gerade auch ein Exempel dafür zu liefern, dass die Riesen wieder an die Küste zurückschwimmen können: In den vergangenen Tagen war das Unternehmen erstmals auf der Berliner IFA vertreten, der weltgrößten Messe für Unterhaltungselektronik. Wobei es sich mittlerweile eigentlich verbietet, von „dem Unternehmen“zu sprechen. Nach dem Bankrott 2013 hat sich der Konzern in zwei Firmen aufgeteilt: zum einen das britische Kodak Alaris, das die Filmproduktion weiterbetreibt. Zum anderen Eastman Kodak mit Sitz in Rochester, New York. Eastman Kodak setzt auf erschwingliche Fotodrucker, Fotoscanner und Mini-Projektoren. Diese Produkte stellte Kodak gemeinsam mit einem Lizenzpartner auf der IFA vor. Über solche Lizenzpartner werden übrigens auch Tablets und Digitalkameras (Kodak Ektra) vertrieben.
2017 schaffte Kodak so einen Umsatz von 1,5 Milliarden Dollar und einen Gewinn nach Steuern von 97 Millionen. Dennoch sind die Zahlen nicht mit jenen aus den 90ern zu vergleichen: 1996 lag der Umsatz noch bei 16 Milliarden.
Über die Entwicklung der vergangenen Jahre will Kodak nicht breit Auskunft geben. Auf SN-Anfrage verweist der Konzern lediglich auf den Firmenblog. Und ergänzt auf Nachfrage noch, dass man in Österreich mit einem Büro und knapp 15 Mitarbeitern vertreten sei.
„Kodak ist ein Paradebeispiel für Selbstgefälligkeit“, urteilt Tim Cole. Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der Kolumnist und Buchautor mit den Auswirkungen der Digitalisierung. Kodak habe zu lang auf das Geschäftsmodell gesetzt – und war dann „quasi über Nacht weg“. Vergleichbare Fälle würde man im Zuge der sogenannten digitalen Disruption immer häufiger erleben. Dabei werden bestehende Geschäftsmodelle durch Innovationen nahezu zerschlagen. Und dieser Prozess werde frei nach dem Mooreschen Gesetz – einer Wirtschaftstheorie – immer schneller: Alle zwölf bis 24 Monate verdopple sich das Tempo.
Doch wie kann ein Unternehmen verhindert, dass es „disruptiert“wird? Cole rät, dass Geschäftsmodell weiterzubetreiben. Aber gleichzeitig sollten Scouts rausgeschickt werden: „Es braucht Beiboote – kleine Entwicklungseinheiten, vielleicht sogar Start-ups –, die ausloten, wo Untiefen sind. Um schließlich zum Tanker zurückzukommen und die Wende einzuleiten.“
Christopher Lettl, Wirtschaftswissenschafter an der WU Wien, ist ähnlicher Ansicht. Allein weil bei großen Firmen die Fixkosten zu hoch seien, um hart umzuschwenken, müsse zuerst zukunftsgerichtete Marktforschung betrieben werden. Schlussendlich sei aber entscheidend, wie Innovationen umgesetzt würden: „Wenn ich nicht Management und Marketing entsprechend umstelle, hilft mir das technologische Wissen rein gar nichts.“
Und was ist, wenn man bereits von der Disruptionswelle erfasst wurde? Das könne auch eine Chance sein, sagt der Experte. Allein die Erfahrung schon mal gemacht zu haben könne von Vorteil sein. Ob beim Neustart die altbekannte Marke erhalten bleiben solle, hänge jedoch davon ab, mit was diese assoziiert werde. Gelte man etwa als gescheiterte Firma, rät Lettl zu einem „kompletten Neustart“.
„Beiboote sollen Untiefen ausloten.“Tim Cole, Digitalisierungsexperte